Das neue Jahr beginnt bildungsmäßig genauso wie das alte aufgehört hat - mit einem unsäglichen Aus-Bildungs-Blödsinn, der meiner Empfindung nach nicht einmal gut gemeint, jedenfalls aber gar nicht gut gemacht ist.
Die derzeit in Begutachtung befindliche Gesetzesvorlage zur sogenannten "Ausbildungspflicht" beinhaltet - wie der Name schon verheißt - eine Verpflichtung zur Ausbildung. Betroffen von diesen Forderungen der Österreichischen Bundesregierung sind alle jungen Menschen bis 18 Jahre. Damit wurde innerhalb weniger Monate die Zwangs-Aus-Bildung um 4 Jahre ausgeweitet, die nun alle Menschen vom 4. Lebensjahr an bis zur Volljährigkeit berührt. Ziel dieser Maßnahmen ist es, wenn man den Aussagen von Sozialminister Rudolf Hundstorfer folgt, dass "die frühzeitigen Bildungsabbrecher eine Chance bekommen, ein selbstbestimmtes Leben und eine kontinuierliche Erwerbslaufbahn zu erlangen," es sei dafür "unbedingt erforderlich, eine über die Pflichtschule hinausgehende Ausbildung zu absolvieren." In dieser Schlussfolgerung liegen einige Fehler, außerdem geht sie von falschen Voraussetzungen aus. Nur weil sie auf den ersten Blick logisch klingt, womit man leicht in die dadurch gestellte Falle tappt, ist sie nicht auch wirklich erfolgversprechend. Was jedenfalls erfolgen wird, ist eine Verschiebung der Problematik von der Jugend ins Erwachsenenleben. Denn die Orte, an denen die Ausbildung nach der Pflichtschule erfolgen soll, gibt es ja jetzt auch schon. Ob Lehre oder Produktionsschule oder AMS-Betreuung - mit altbekannten Mitteln wird unter einem neuen Namen eine Lösung des Problems gesucht, wo sie schon in der Vergangenheit nie gefunden wurde. Das einzige, was neu ist, ist die verstärkte "Einbindung" der Eltern in Form von Strafandrohungen wie bei einer Schulpflichtverletzung. Aber bitte wann hat eine Strafandrohung schon mal das Grundproblem gelöst? Nicht einmal die Todesstrafe hat jene Wirkung erzielt, die ihr ihre Erfinder gerne zudenken, sie ist ein völlig untaugliches Mittel zur Verbrechensbekämpfung. Ein wesentlich mutigerer und sinnvollerer Schritt wäre die Einführung eines Rechts auf lebenslange Bildung gewesen - von mir aus auch in einem ersten Schritt für jene jungen Menschen bis 18 Jahre gewesen. Es wäre ebenso mutig und sinnvoll gewesen, Orte zu schaffen, an denen selbstbestimmtes, nachfrageorientiertes Frei-sich-Bilden möglich ist und Menschen zu bezahlen, die als BildungswegberaterInnen und MentorInnen ganz nah an den Individuellen Bedürfnissen der Bildungshungrigen dran sind. Diese wären auch Garanten dafür, dass (junge) Menschen, die der Bildung aus ihrer Lebensgeschichte heraus eher fern stehen, einen Zugang zu sich selbst und ihren Bildungswünschen bekommen. Zudem wäre die Chance, dass da jemand seinen Beruf findet, mit dem er auch sein Leben erhalten kann wesentlich größer als bei der "Produktion" von Arbeitskräften, die nach dem Ende ihrer Ausbildung keiner mehr braucht. Der Arbeitsmarkt wird im nächsten Jahrzehnt einen großen Umbruch erleben, der den Schock der Industrialiserung weit in den Schatten stellen wird. Damit werden mehr Menschen denn je ohne Erwerbsarbeit und daraus abgeleitetes Einkommen sein und hilf- und sinnlos durch das Leben torkeln. Die Folgen dieser Entwicklung sind absehbar, dennoch werden sie weiterhin ignoriert. Die Regierung hat sich also mit dieser Maßnahme neuerlich in eine Bildungs-Sackgasse begeben, die Opposition hat dem leider keine brauchbare Alternative entgegenzusetzen. So ist auch im Bildungsbereich die Zivilgesellschaft gefordert, nachhaltige Varianten in die Welt zu setzen und sich für eine Finanzierung derselben durch die öffentliche Hand einzusetzen. Es braucht mittelfristig aber auch Verbündete unter den Abgeordneten zum Nationalrat, so dass diese bei entsprechenden Gesetzesvorlagen nicht mitstimmen oder noch besser andere Gesetzesvorlagen im oben besprochenen Sinn erstellen. Und es braucht eine Portion von zivilem Ungehorsam, sich dem Diktat der Aus-Bildungs-Verpflichtungen seitens der Gesetzgeber zu widersetzen und diese Alternativen nicht nur zu entwickeln sondern auch zu leben. Eine wachsende Gemeinschaft von "Frei-sich-Bildenden" zeigt wie das geht. Denn - wie schon früher ausgeführt - ein "Nein" des Betroffenen zu einer Ausbildungsverpflichtung im Kindergarten, in der Schule oder eben jetzt auch danach ist ein Menschenrecht. Dieses steht auch jungen, per lege minderjährigen Menschen zu. Darauf wird man sich besinnen müssen, wenn die Leidtragenden sich nicht mehr zwingen lassen und sich auf die Kinder- bzw. Menschenrechte berufen und diese auch - wenn nicht anders möglich - auf dem Rechtsweg geltend machen.
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Michael Karjalainen-Dräger
diplomierter Pädagoge und Bachelor of Education war 10 Jahre im öffentlichen Schulwesen in Wien als Lehrer tätig, danach 3 Jahre lang Leiter einer von ihm gegründeten "freien" Schule in Niederösterreich. Seit 2013 trainiert er Menschen, die jungen Menschen freie Bildungs-Räume öffnen wollen. Kategorien
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March 2020
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