Das im Mai in Wien tagende Kapitalismustribunal ermöglicht jedem Menschen auf der ganzen Welt Anklage gegen die von unserem herrschenden Wirtschafts- und Gesellschaftssystem verursachten Missstände zu erheben. Diese Chance habe ich genutzt, um den Bildungsbereich in Österreich betreffend drei Anklagen einzubringen. Beschuldigt von mir werden in allen drei Fällen jene Abgeordneten zum Nationalrat, die die geltenden Gesetze beschlossen haben, die
Bundesregierung der Republik Österreich, im speziellen die Bundesministerin für Bildung und Frauen, die die aktuelle Gesetzeslage nicht ändert, die Schulbehörden in Österreich, die die geltende Rechtslage ohne Augenmaß vollziehen. Die erste Anklage befasst sich mit der dringend notwendigen Gleichstellung aller Schulen, egal ob öffentlich, privat mit konfessionellem Schulerhalter oder frei: "Die österreichischen Schulgesetze sehen zwar für jede natürliche und juristische Person die Möglichkeit zur Gründung einer Privatschule vor, es gibt jedoch mehrere Kategorien innerhalb dieser Schulart: A) Die Privatschulen, die von einer vom österreichischen Gesetzgeber anerkannten Religionsgemeinschaft erhalten werden; diese erhalten die Lehrergehälter von der öffentlichen Hand ersetzt, was bis zu 80 % des Schulbudgets ausmacht. B) Die Privatschulen mit und ohne Öffentlichkeitsrecht, die von anderen TrägerInnen erhalten werden; diese erhalten, wenn sie einem Dachverband von freien Schulen beigetreten sind, derzeit in etwa € 750,- pro SchülerIn und Schuljahr. C) Die Privatschulen mit und ohne Öffentlichkeitsrecht, die von anderen TrägerInnen erhalten werden und nicht einem der oa. Dachverbände beigetreten sind; diese müssen für die Schulerhaltung zur Gänze aufkommen. Bei derzeit von der OECD berechneten Ausgaben von € 8.000,- (Grundschule) bis € 12.000,- (Neue Mittelschule) pro SchülerIn und Schuljahre erspart sich die öffentliche Hand je nach oa. Schulart im Extremfall den Gesamtbetrag. Diesen müssen dann Eltern und SchulerhalterInnen aus eigener Tasche bezahlen. Diese Gesetzeslage stellt einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz und die Österreichische Verfassung dar. Daher fordere ich eine Gleichstellung aller oa. Schularten mit den von Bund und Gemeinden erhaltenen öffentlichen Schulen und deren 100%ige Finanzierung ohne Elternbeitrag." Die zweite Anklage fordert die Gleichstellung aller außerschulischen Modelle der Bildung mit der instutution Schule: "Die österreichischen Schulgesetze fordern zwar keine Schulpflicht, aber eine Unterrichtspflicht. Junge Menschen im “schulpflichtigen Alter” können dieser Unterrichtspflicht auch im häuslichen Unterricht oder im Unterricht einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht nachgehen, müssen jedoch vor Schuljahresende in Externistenprüfungen nachweisen, dass sie den Unterrichtsstoff der entsprechenden Schulstufe erfolgreich beherrschen. Diese Gesetzeslage ignoriert das Menschenrecht, damit auch das Kinderrecht auf ein NEIN zur Zwangsbeschulung und auferlegt den (jungen) Menschen eine Bildungspflicht nach curriculären Maßstäben statt eines Rechtes auf Bildung. Somit verstößt sie gegen die von Österreich unterzeichnete Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die UN-Kinderrechtskonvention, die Europäische Menschenrechtskonvention und die österreichische Verfassung. Daher fordere ich die volle auch finanzielle Gleichstellung von Modellen außerhalb dieses Unterrichts- und Externistenprüfungszwanges mit der institutionellen Schule, wie Freilernen oder organisierten häuslichen Unterricht. Diese ermöglichen es (jungen) Menschen frei sich zu bilden. In nachfrageorientierten und von der öffentlichen Hand finanzierten Landschaften einer solchen freien Bildung - wie von den Philosophen Bertrand Stern und Ivan Illich vorgeschlagen - sollen junge Menschen sich ihren Potentialen entsprechend bilden. Rahmenbedingungen, wie wie virtuelle und reale BildungsRäume, BildungswegbegleiterInnen und MentorInnen werden von der öffentlichen Hand gratis zur Verfügung gestellt." Und die dritte will mit der Unsitte aufräumen, dass ein unterjähriges Abmelden zum häuslichen Unterricht unmöglich ist: "Die österreichische Gesetzeslage sieht die Möglichkeit einer Abmeldung zum häuslichen Unterricht vor. Diese muss in der Regel bis zum Tag vor dem Beginn des neuen Schuljahres erfolgen. Andererseits gibt es für SchülerInnen die Möglichkeit im Laufe eines Schuljahres die Schule und die Schulart zu wechseln. Dieses Recht wird aber jenen verweigert, die unterjährig von einer institutionellen Schule in den häuslichen Unterricht wechseln wollen, womit eine selbst vom österreichischen Gesetzgeber grundsätzlich nicht gewünschte Schulpflicht eintritt. Das stellt einen Verstoß gegen den Gleichheitgrundsatz der österreichischen Verfassung dar, ebenso aber auch einen Verstoß gegen die von Österreich unterzeichnete Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die UN-Kinderrechtskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention Daher fordere ich die Ermöglichung der unterjährigen Abmeldung zum häuslichen Unterricht, um den Bildungsbedürfnissen von jungen Menschen entsprechen zu können und den in diesem Fall geltenden Schulzwang aufzuheben." Diese Anklagen können gerne unterstützt werden bzw. können noch bis heute, 17.4.16, 24 Uhr eigene Anklagen eingebracht werden.
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Das am vergangenen Dienstag von Bildungsministerin Heinisch-Hosek und Wissenschaftsstaatssekretär Mahrer „abgeklatschte“ Bildungs-Reform-Papier bietet für Bildungsinteressierte keinen Grund zur Freude.
Symptomatisch für mich war die Antwort Mahrers auf meine Frage, ob es denn aus seiner Sicht wirklich genüge, die Schule zu digitalisieren, um die jungen Menschen fit für eine Zukunft nach einer zehnjährigen Beschulung zu machen. Er verstieg sich zu den Worten, dass er diese Reform cool, nein fast geil finde (eine Aussage, die auch Schlagzeilen in der ZIB 2 vom 17.11.15 machte) um dann über die Wichtigkeit der Einbeziehung des Kindergartens in die Veränderungen der Bildungslandschaft in Österreich zu reden und den Stehsatz zu gebrauchen, dass es natürlich mehr brauche. Heiße Luft also. Diesen Eindruck wurde ich auch nicht los, als all die anderen Maßnahmen präsentiert wurden, die ich in meinem Beitrag für N21 zusammengefasst habe. Für mich persönlich hat sich einmal mehr die Erkenntnis bestätigt, dass Reformen immer bloß zu einer Verengung und damit Verschlimmerung des Systems führen, das System wird quasi noch mehr System. Aber das hat der Begriff Reform ja so an sich, der besagt, dass etwas „wieder in Form gebracht“ wird, eine Form, die seit Anbeginn besteht. Reformen können per se nie über diese Form hinausweisen. Hier also meine kurze Analyse der Reform, um mich dann wichtigerem zu widmen, nämlich dem not-wendigen Wandel unserer Bildungslandschaft. Die von mir angesprochene Verengung und damit Verschlimmerung des Systems lässt sich wirklich an allem festmachen, was da vorgetragen wurde, ich nehme einige symptomatische Punkte heraus:
Genug der Gedankenverschwendung an ein sterbendes System, das sich durch diese wohl allerletzte Reform noch das eine oder andere Jährchen am Leben halten möchte, aber letztlich zum Sterben verdammt ist. Worum es wirklich geht, ist der Blick in die Zukunft. Ab sofort müssen Bildungsbewegte Schritte einleiten, die junge Menschen fitt fürs Leben und ebendiese Zukunft zu machen. Wandel beginnt immer von unten nach oben, der Wandel von Zwangssystemen natürlich erst recht. In meiner Sendung auf Radio Orange am 18.11. haben meine Studiogäste beredet, wie das gehen könnte. Zwei Schlagworte aus dieser Diskussion scheinen mir im Zusammenhang mit einem wirklichen Wandel ganz wesentlich:
Bestens dafür eignet sich die von mir in diesem Blog schon mehrfach angesprochene Möglichkeit eines „Frei-Sich-Bildens“ mit Unterstützung von BildungswegbegleiterInnen und MentorInnen in von der öffentlichen Hand finanzierten und organisierten Bildungs-Räumen auf der Basis der Gedanken von Ivan Illich und Bertrand Stern. Diese nachfrageorientierte Form der Bildung führt in völlig neue Dimensionen, die den ganzen Menschen als Subjekt wahr- und ernstnimmt und ihm so sein je individuelles Sein zugesteht. Menschen, die sich auf diese Weise bilden, werden um Ihren Beitrag in der Gemeinschaft der Menschheit wissen und eine völlige neue Lebensweise mit Zukunft auf unserem Planeten Erde etablieren. Um diese Utopie Realität werden zu lassen, brauchen wir (junge) Menschen, die schon jetzt die Strukturen der Zwangsbeschulung mit ihren „Totes-Wissen-Prüfungen“ hinter sich lassen und sich auf ganz persönliche Bildungswege begeben. Sie brauchen Räume und Begleitung, die es umgehend zu schaffen gilt. Der für 2016 geplante „Nie-mehr-Schule“-Aktionstag wird dieses Thema tiefgreifend und auf vielen Ebenen behandeln. Ich lade alle Bildungsbewegten schon jetzt ein, Aktionäre dieser Idee zu werden und sich an vielen Orten, auf vielen Straßen aber doch gemeinsam auf den Weg zu machen, um die Zukunft der Bildung schon in unserer Gegenwart zu realisieren. Das, was sich da am vergangenen Donnerstag im guten, alten Oberösterreich bei der Vorstellung des Arbeitsübereinkommens zwischen ÖVP und FPÖ zugetragen hat, war wieder einmal schlechte, uralte deutsche Schule.
Die Idee einer Übereinkunft mit der FPÖ, weil "sie als zweitgrößte poltische Kraft demokratisch legitimiert ist" (Landeshauptmann Pühringer, ÖVP) und "in der Regierung entzaubert werden soll" (ÖVP-Obmann Mitterlehner), hat aber jene Auswirkungen, die gleich bei der Präsentation dieser Zusammenarbeit deutlich wurden. LH-Stellvertreter Haimbuchner, FPÖ, dessen Partei in den nächsten 5 Jahren auch die Integrationsagenden überhat, kam mit diesbezüglichen Vorschlägen von vorgestern. Einen davon möchte ich aufgreifen, weil er mit einer Sicht auf Bildung zu tun, die höchst gefährlich ist - obwohl er auch eine Mehrheit in der Bevölkerung finden könnte: Deutsch nicht nur als Unterrichtssprache einzufordern, sondern gleich als Schulsprache. Ersteres ist gesetzlich geregelt, letzteres illegal wie das Unterrichtsministerium stante pede klarstellte. Dass das ein Landeshauptmann, der ja auch Präsident des Landesschulrates und Mitglied der Bildungsreformkommission ist, erst aus dem fernen Wien erfahren musste, ist höchst bedenklich. Für mich ist es mindestens ebenso problematisch, dass wir in Österreichs Schulen nur eine Unterrichtssprache akzeptieren, nämlich Deutsch. Damit verschärfen wir jene Probleme, die wir so gerne nicht hätten: (Junge) Menschen mit einer anderen Erstsprache beginnen ihre Schulkarriere mit einem großem Rückstand an Fachwissen, weil sie ja zuerst Deutsch lernen und erst dann in den Fachunterricht, der ja auch eine eigene Fachsprache hat, einsteigen können. Das ist, pointiert gesagt, Sprachimperialismus der reinsten Sorte. An der Uni Wien, die im Institut für Germanistik einen eigenen Fachbereich für Deutsch als Zweitsprache eingerichtet hat, vertritt man die Auffassung, dass es erfolgreicher wäre, würde man die Erst- und Zweitsprache parallel unterrichten und die Fachthemen zuerst in der "Muttersprache" nahebringen. Außerdem spräche nichts dagegen, wenn auch in der weiteren Schullaufbahn die Erstsprache als Unterrichtssprache gälte. Dem kann ich einiges abgewinnen, ist Sprache doch ein wesentlicher Faktor menschlicher Identität. Und wer seine Identität kennt, kann leichter und erfolgreicher auf das Fremde zu- und mit dem Fremden umgehen. Aus meiner Sicht wäre also der bilinguale Weg, die eigene Erstsprache zu perfektionieren und Deutsch als Zweitsprache zumindest auf einem B2-(Matura)Niveau zu erlernen sowie als ursprünglich Deutsch-Sprechender auch eine oder mehere der Sprachen als Fremdsprachen zu lernen, die im Klassenverband gesprochen werden, ein wesentlich zielführender als der von Deutsch als Schulsprache, den die neue oberösterreichischen Landesregierung als beispielgebend für Österreichs Schulen einführen möchte. Dieser Nationmalismus führt meiner Meinung nach ja (für die Proponenten des Vorschlages paradoxerweise) zum genauen Gegenteil dessen, was sie bewirken wollen: der Nationalismus der auf diese Weise einer Integration Unterworfenen steigert sich bis ins Extreme, ja Extremistische. Für gelungene Integration braucht es auf dieser Basis dann - das möchte ich nicht bestreiten - noch andere, weitere Schritte eines respektvollen Umgangs miteinander. Sprache aber und Sprachen spielen eine grundlegende Rolle, damit dies gelingen kann. Im übrigen bin ich der Meinung, dass ein Recht auf Bildung statt der derzeit geltenden Zwangsbeschulung, auch in diesem Bereich schneller zum Erfolg führen würde. Lasst uns also Räume des Frei-sich-Bildens schaffen, um allen (jungen) Menschen eine gute Zukunft in einer menschenwürdigen Gesellschaft zu ermöglichen. Heute morgen am Bahnhof Hütteldorf:
Eine Schulklasse von rund 15 etwa 13- oder 14-jährigen jungen Menschen wird von einer jungen Lehrerin (geschätzte Anfang 20) dazu aufgefordert eine Reihe zu bilden. Der "wilde Haufen" allerdings setzt sich nur mühsam in Bewegung um die gewünschte Form anzunehmen. Bei der Lehrerin wächst die Ungeduld im Sekundentakt, sie versucht die Jugendlichen zu "motivieren" ihre Anweisung endlich auszuführen. Dazu fallen unter anderem folgende Worte: "Das ist noch immer keine Reihe!" "Das kann dich bitte ned so schwer sein!" "Hey, wie alt seid's ihr eigentlich?" "Das kann doch bitte nicht wahr sein...!" Es ging sicher noch eine Weile weiter so, aber ich überließ die Truppe dann sich selbst und weiß daher nicht wie die Geschichte ausgegangen ist - und ob sie möglicherweise verbal eskaliert ist. Meiner Erfahrung und Einschätzung nach gab es irgendwann dann eine Einigung auf eine Mehr-oder-Weniger-Reihe und alle starteten angeführt von ihrer Lehrerin, der es dann ziemlich egal war, was sich ab da hinter ihrem Rücken abspielte. Wie oft war auch ich in ähnlichen Situationen als ich noch dem Schuldienst frönte. Wie oft habe ich mich wirklich grässlich unwohl gefühlt, weil ich da zwingen musste - junge Menschen und mich selbst. "Mit sanfter Gewalt", hat mir damals eine ältere Kollegin gesagt, "sonst geht gar nix". Heute bin ich ob dieser Worte aber vor allem wegen dieser - auch meiner - "gewaltvollen" Vorgangsweise sehr betroffen. Dabei könnten es sich alle Beteiligte um so vieles einfacher machen, sie müssten weder sich noch andere zu etwas zwingen, was diese in jenem Moment nicht wollen. Und auch die Frage, die ich mir immer wieder gestellt habe, nämlich "Warum hört mir denn niemand zu?", wäre obsolet. Wie das? Ganz einfach: Wir nehmen jeden Menschen als freies Subjekt wahr, nehmen dessen JA und dessen NEIN ernst, lassen auf diese Weise jeglichen Zwang hinter uns. Ganz einfach? Nun ja, ich gebe zu, dass dies eine völlige Veränderung unseres bisherigen Bewusstseins fordert. Aber es ist möglich! Wie viele Unmöglichkeiten und Undenkbarkeiten sind heute Realität? Wie war das mit den Frauen, die lange noch als Objekte im Besitz ihrer Ehemänner standen? Bis in die beginnenden Siebziger des 20. Jahrunderts mussten sie die Erlaubnis ihrer Männer einholen, wenn sie einen Pass beantragen oder arbeiten gehen wollten. Und das war nicht im fernen von uns wegen der Nichteinhaltung der Menschenrechte oft gescholtenen Orient, sondern hier in Österreich! Und heute? Na eben, ganz einfach! Es braucht sicher Zeit bis es alle begreifen, dass Schulunterricht in der heutigen Form keinen Vorteil bringt sondern nur Nachteile, weil er Zwang auslöst - bei allen Beteiligten (also LehrerInnen, SchülerInnen, Eltern und Behörden). Veränderungen dieser Dimension gehen immer von den Betroffenen selbst aus, in dem sie sich den herrschenden Regeln verweigern, den zivilen Ungehorsam pflegen und ihren eigenen Weg finden. Wer heute das NEIN seiner Tochter, seines Sohnes oder seiner SchülerIn respektiert, wird erstaunt sein, wie sich vor ihm plötzlich und ungeahnt wunderbare Landschaften einer freien Bildung auftun. Denn nur wer sich auf den Weg macht, wird neues entdecken. Nutzen wir den Schwung des 1. Nie-mehr-Schule-Aktionstages vom vergangenen Montag und breche jedeR an ihrer/seiner Stelle auf in eine frei-sich-bildende Gesellschaft. Niemand muss sich alleine fühlen, denn gerade eben entsteht das wunderbare Netzwerk freier Bildungs-Räume, das jedeR gerne jederzeit nutzen kann! Seit geraumer Zeit ringe ich mit dem Begriff "Kindheit". Mit dem Begriff "Mädchen" geht mir das schon länger so, da die deutsche Grammatik junge Frauen zu Sachen macht. Bertrand Stern hat in seinem Sommergespräch mit mir auf Radio Orange die Begriffe Schule, Lernen und Kind reflektiert und kritisch betrachtet. Das hat mich wieder einmal nachdenklich gemacht.
Nun stehe ich bereits am Ende der ersten Schulwoche im Osten Österreichs (der Westen startet ja erst am kommenden Montag in den Alltag)wieder mitten im schon verdrängten "Kinder"-Wahn. Diese jungen Menschen werden von ihren Bezugspersonen - und damit auch von vielen LehrerInnen - als klein und unmündig angesehen. Dementsprechend fällt dann auch das Zusammenleben aus, in dem sie andauernd belehrt werden, wie sie was zu machen hätten. Dann darf man sich nicht wundern, wenn sie überhaupt keine Eigeninitiative mehr entwickeln und nur noch auf Anweisung funktionieren. Abgesehen davon ist das von Unterrichtenden oft kritisierte "Tratschen" jedenfalls auch immer der Versuch, sich das gerade "Durchgenommene" mit eigenen Worten anzueignen. In der Lerntypenforschung werden jene auch "verbaler Lerntyp" genannt. Junge Menschen als "Kinder" zu bezeichnen ist meiner Ansicht nach Fluch und Segen, wobei meiner Meinung nach die Nachteile eindeutig überwiegen. Einerseits bedeutet es Schutz für die Heranwachsenden, andererseits gesteht man ihnen damit - auch grammatisch - keinen Subjekt-Status zu. "Das" Kind wird auf dieser Weise auch zu einem von Erwachsenen abhängigen Objekt degradiert, für die die Erklärung der Menschenrechte nur eingeschränkt gilt. Als solche Einschränkung könnte man die Kinderrechtskonvention missverstehen. Aber: sie formuliert die Menschenrechte aus der spezifischen Perspektive von Kindern und ist so gesehen deren Vertiefung für den Umgang von Erwachsenen mit den Heranwachsenden. Das "best interest of the child" - ins Deutsche mit dem Begriff "Kindeswohl" übertragen - ist demnach vorrangig zu berücksichtigen. Auch hier kommt es zu vielen Missverständnissen - wie etwa Anzeigen des Stadtschulrates gegen Freilerner-Eltern bezeugen, die in der Verletzung der Schulpflicht eine Kindeswohlgefährdung erkennen, die übrigens auch durch kein Gesetz zu rechtfertigen ist - und schon gar nicht mit der angesprochenen Kinderrechtskonvention. Soweit allerdings muss man gar nicht gehen, wenn man den Alltag von jungen Menschen betrachtet. Denn auch das derzeit herrschende Bildungssystem zwingt sie in den Objekt-Status von Zwangsbeschulten, die zu klein oder zu unentwickelt, ja sogar unterentwickelt sind, um sich frei um ihre Bildung zu kümmern. Sicher brauchen sie unter anderem - wie wir alle von Zeit zu Zeit -Menschen die sie begleiten und ihnen die Möglichkeiten aufzeigen, wie sie ihre Neugier und ihren Wissensdurst stillen können. Dazu aber dient der Unterricht keineswegs. Hier werden sie systematisch für dumm verkauft - damit sie gute "Untertanen" werden. Oder wie es Reinhard Mey in seinem Lied "Sei wachsam" treffend formuliert: "Der Minister nimmt flüsternd den Bischof beim Arm: Halt du sie dumm, – ich halt’ sie arm!" |
Michael Karjalainen-Dräger
diplomierter Pädagoge und Bachelor of Education war 10 Jahre im öffentlichen Schulwesen in Wien als Lehrer tätig, danach 3 Jahre lang Leiter einer von ihm gegründeten "freien" Schule in Niederösterreich. Seit 2013 trainiert er Menschen, die jungen Menschen freie Bildungs-Räume öffnen wollen. Kategorien
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March 2020
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