Als ich in meinem letzten Blogbeitrag vom vergangenen Montag Einstein als Schulversager darstellte, wurde ich prompt eines besseren belehrt.
Gut so! Ich lerne (mittlerweile) gerne! Und das, obwohl ich nach der Matura nie wieder eine "Bildungseinrichtung" betreten wollte und Lernen für mich auf Schule reduziert war. Nie mehr Schule - nie mehr lernen! So stürzte ich mich damals gleich mal in eine Karriere als Banker, die mich knappe 10 Jahre später in einem Burnout zurückließ. Das hieß damals übrigens noch ziemlich sperrig und "Alt-Deutsch" Vegetatives Erschöpfungssysndrom. Also musste ich mich mit Anfang Dreißig auf die Suche nach meinem eigentlichen Wesen begeben. Auch das war gut so. Besser später als zu spät. Nun, knappe zwei Jahrzehnte danach, bin ich einer, der seinen Bildungsweg sehr individuell und an den Fragen orientiert, die sich mir immer wieder (neu) stellen, Schritt für Schritt geht. Auch bin ich zum Bewusstsein gelangt, dass ich mit meinem schlechten "Schulgefühl" recht hatte. Die Institution Schule bietet keine Orte einer nachfrageorientierten Bildung, die dem Wesen des Wissbegierigen entspricht. Sie bietet ja auch höchst selten wahrhaft Wissende, die nicht nur über etwas reden, das sie aus Büchern oder in verschulten Bildungsinstitutionen erworben haben, sondern durch eigene Erfahrung UND Bildung. Zurück zu Einstein. Einstein war also - auch meiner neuesten Recherche nach - kein Schulversager. Danke, dass diese Legende nun endlich geklärt ist. Aber - und auch das konnte ich durch meine Recherche herausfinden - er war ein schulkritischer Mensch. Einer, der die Institution und ihre Praktiken anprangerte. Einer, der das Pauken und den eingeforderten blinden Gehorsam nicht akzeptieren wollte. Einer, der mit schulkritischen Bemerkungen auch in den Jahren nach der Schule seine Einstellung kundtat. Und insofern ist er für mich zum noch gewichtigeren Zeugen dafür geworden, dass die "Schule" und ihr Unterricht von gestern sind. Einem Schulversager könnte man leicht vorwerfen, dass er die Schule deswegen schlecht macht, weil er nicht damit zu recht gekommen ist. Einem erfolgreichen Schüler aber wird man diesen Vorwurf nicht so ohne weiters machen können. Und so möchte ich meinen Beitrag mit einem Einstein zugeschriebenen Zitat beschließen: "Weisheit ist nicht das Ergebnis der Schulbildung, sondern des lebenslangen Versuchs, sie zu erwerben." Machen wir uns also auf den Weg zur Weisheit - und legen wir die Fesseln des gegenwärtigen Schulunterrichts ab, um endlich frei uns zu bilden!
1 Comment
"No problem can be solved from the same level of consciousness that created it." (Albert Einstein) Es ist eine traurige Tatsache, dass Menschen, die mit diesem Schulsystem groß geworden sind, kaum in der Lage sind, es reflektiert zu betrachten bzw. es als ganzes in Frage zu stellen. Es ist vielmehr eine logische Konsequenz des Schulbesuchs, dass Menschen genauso denken. Diese Institution, die wir verkehrterweise Schule (vom griech. scholé – Muße) nennen, lässt uns genau mit diesem Blick auf die Welt zurück, dass sie unersetzbar wäre und notwendig, um die Freiheit und Gleichheit des Menschen zu garantieren. Sie vermittelt den Heranwachsenden, dass die Welt nun mal so ist wie sie ist, die beste aller Welten halt, obwohl es jede Menge „unlösbare“ Probleme gibt. Das ist eine sehr dogmatische Sichtweise, da alles als gottgegeben bzw. systemimmanent dargestellt wird. Und mit genau der Sichtweise gehen die Beschulten dann an die Welt heran und die herrschenden Zustände werden als alternativlos empfunden. Bertrand Stern formuliert dieses Phänomen etwa so: Wer einmal beschult wurde ist an die Institution Schule verloren.
Die Geschichte kennt aber auch Menschen, die sich dieser Beschulung widersetzt haben. Diese wurden gerade als Schulversager zu historischen Größen wie etwa Albert Einstein. Es braucht also dringend Menschen, die out of the box, oder wie es Albert Einstein formuliert, von einer anderen Bewusstseinsebene aus auf Probleme schauen. Nur dadurch werden Lösungen und Entwicklungen aus Verstrickungen und Abhängigkeiten überhaupt erst möglich. Auch ich war bis vor wenigen Monaten ein Verfechter von umfassenden Reformen der Institution Schule, in der großen Hoffnung, dass damit alles besser werden würde. Dann habe ich durch erhellende Gespräche und tiefergehende Recherchen erkannt, dass das System und die Institution dadurch nicht veränderbar sind. Jede Reform bringt vielmehr noch mehr vom gleichen. Oder wie bewerten Sie die bisherigen Ergebnisse der Bildungsreform, die in Österreich am 17.11.2015 in Kraft treten soll? Eben … Daher braucht es mehr als diese nächste Reform, es braucht einen tiefgreifenden Wandel. Dieser wird von jenen angestoßen, die über das bestehende System hinaus denken, die Visionen, vielmehr Utopien entwickeln, die für einen Beschulten ver-rückt klingen und die gesellschaftlich im Moment absolut nicht akzeptabel sind. Das ist gut so. Das Neue war immer eine lange Zeit hin unvorstellbar, denken wir etwa ans Fliegen oder an die Frauenrechte. Um sich damit noch nicht auseinandersetzen zu müssen kommen dann so Argumente wie:
Tatsache aber ist es, dass genau dieses Denken uns von der Institution Schule eingeimpft wurde. Deren Strukturen fußen ja auf miltiärischem Drill und monastischer Stundenglocke. Und genau sie bringen diese ungerechten Verhältnisse hervor, die einerseits zu „Sklaverei“ und Abhängigkeit von einer ungeliebten Erwerbsarbeit führen und andererseits zu brutalen Ausbruchsnotwendigkeiten aus dieser asozialen Ordnung, wie es eben Terror und Vertreibung darstellen. Die kritische Masse, die einen diesbezüglichen Quantensprung auslösen könnte, ist noch nicht erreicht. Aber ich treffe nun fast täglich Menschen, die sich diesbezüglich in Bewegung gesetzt haben. Damit ist es nur noch eine Frage der Zeit ist bis der Bildungswandel einsetzt. In diesen Vorwahlzeiten hörte und las ich den Sager, dem mein heutiger Blogbeitrag seinen Titel verdankt, unzählige Male. Als ich den 1. Nie-mehr-Schule-Aktionstag vorbereitete machten sich manche Sorgen, er könnte in der aktuelleren „Flüchtlingskrise“ untergehen. Im Vorfeld meiner Sendung „Nie-mehr-Schule“ auf Radio Orange am 16.9.15, in der ich PolitikerInnen der in ganz Wien wahlwerbenden Parteien zu einer Livediskussion zum Thema Bildung ins Studio bat, meinten manche, dass das derzeit niemanden so wirklich interessieren werde. Und auch die gestrige Live-Diskussion der SpitzenkandidatInnen zur Wien Wahl in ORF 2 und auf PULS 4 war von jenem Argument überschattet – und zwar so intensiv, dass Bildung gar nicht auf der Agenda stand und die Flüchtlingsthematik annähernd die Hälfte der Sendezeit füllte.
Erwin Wagenhofer hat es in seinem Sommergespräch mit mir, das am 21.8.15 auf Radio Orange ausgestrahlt wurde so wunderbar auf den Punkt gebracht: Die Krise der EU, so sagte er, ist dem Versagen der Bildungseliten geschuldet und damit eine Bildungs-Krise. Ich möchte seine Argumentation aufgreifen und ergänzen: Auch die derzeit als Flüchtlingskrise bezeichneten Vorgänge um Krieg und Elend auf der einen Seite und Hoffnung auf ein besseres, freies Leben auf der anderen Seite basieren auf dem Versagen der so genannten Bildungseliten und auf der Vergewaltigung des Bildungssystems, das nur mehr verschult ist und bloß noch der Ausbildung von willigen „Untertanen“ dient. Für mich ist das, was wir derzeit erleben, nämlich einerseits die Notwendigkeit vor Gewalt und Krieg zu fliehen und andererseits der ambivalente Umgang mit denen, denen geholfen werden will (von Verteufelung bis „Verteddybärisierung“), eine Auswirkung genau jenes Systems, das so unantastbar ist, dass es immer hinter all die anderen Themen und somit niemals grundsätzlich in Frage gestellt wird. Wie schon mehrmals an dieser Stelle betont, nutzt das Reformieren des Bestehenden gar nichts. Jede Reform produziert noch mehr vom Gleichen. Es gilt den Wandel einzuleiten. Jetzt. Damit die Herausforderungen der Gegenwart so bewältig werden, dass eine gute Zukunft für uns alle möglich ist. Denn noch sind die „großen Probleme“ lösbar, auch wenn sie uns immer als unlösbar verkauft werden. Wer’s glaubt, ist unselig. Aber wie sagte schon Albert Einstein so treffend: "No problem can be solved from the same level of consciousness that created it." Es geht also nicht bloß um eine Änderung der Denkweise sondern einen Bewusstseinswandel! Das ist das Geheimnis des Erfolgs! |
Michael Karjalainen-Dräger
diplomierter Pädagoge und Bachelor of Education war 10 Jahre im öffentlichen Schulwesen in Wien als Lehrer tätig, danach 3 Jahre lang Leiter einer von ihm gegründeten "freien" Schule in Niederösterreich. Seit 2013 trainiert er Menschen, die jungen Menschen freie Bildungs-Räume öffnen wollen. Kategorien
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March 2020
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