Gleich zu Beginn der Ferien wurde auf orf.at unter der Schlagzeile „Eltern als Lerntrainer“ ein Artikel gepostet, der sich mit einer veritablen Misere des gegenwärtigen Schul-Unterrichts beschäftigt. Tatsächlich ist es aus meiner Erfahrung und auch aufgrund der vielen mir zugetragenen Schul-Geschichten Usus, dass Eltern für die Hausübungen ihrer Sprösslinge verantwortlich gemacht werden. Mag es zwar richtig sein, dass man ihnen die Verantwortung dafür übergibt, dass ihre Kinder ihre Hausübungen machen, so kann damit keineswegs verbunden sein, dass man auf Richtigkeit und Vollständigkeit achten muss. Letzteres aber wird sehr oft von den Unterrichtenden erwartet oder sogar gefordert. Hier handelt es sich aus meiner Sicht eindeutig um eine Retourkutsche der ebenso verkehrten Forderung zahlreicher Eltern, die Schule und deren LehrerInnen mögen die Erziehung des Nachwuchses übernehmen. Eine reflektierte Haltung sieht anders aus.
An dieser Stelle möchte ich nochmals die Sinnhaftigkeit von Hausübungen in Frage stellen, gehen sie doch von einem Lernvorgang aus, der mechanistische Grundzüge trägt. Allerdings kann ein nicht verstandener Inhalt auch durch eine Hausübung, bei der SchülerInnen nicht auf eine Fachkraft zurückgreifen können, nicht erlernt werden. Zudem gehen aktuelle Erkenntnisse der Hirnforschung davon aus, dass nur dort wirklich gelernt wird, wo Interesse da ist und wo Probleme (alleine, in Teams oder auch mit Unterstützung) gelöst werden können. Auf diese Weise bilden sich bleibende Synapsen. Eltern sollen Eltern sein, LehrerInnen bei ihrem „Leisten“ bleiben. Eltern als Lerntrainer sind daher ein No-Go! Um diese Sichtweise tatsächlich zu verankern, muss sich Unterricht allerdings grundlegend ändern. Auch gilt es das ganze Schulsystem in Frage zu stellen, da es – trotz aller Reformen - immer noch auf dem Bild des „Nürnburger Trichters“ aufbaut. Das einzige was damit tatsächlich erreicht werden kann, ist eine nachhaltige Beschädigung der Lernfreude. Lernen und Unterricht werden synonym gesetzt, die Freude am Neuen, die Neugier am Dasein, die jedem Menschen in die Wiege gelegt wird, leidet. Man zieht sich auf Bewährtes und Bekanntes zurück und hofft, dass das reicht, das Leben zu bewältigen. Auf diesem Weg aber werden die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft nicht bewältigt werden können. Wenn Schule aber einen wirklichen Beitrag zur Lösung aktueller und zukünftiger Probleme leisten will, dann hat sie die Notwendigkeit sich von Grund auf zu wandeln. Dafür sollten sich alle Beteiligten einsetzen, auch wenn das Problem zumindest aus Eltern- und SchülerInnensicht auf 9 bis 12 Jahre beschränkt ist.
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Schon seit geraumer Zeit wird der Ruf nach ganztägigen Bildungseinrichtungen immer lauter. Zum einen fehlen österreichweit gesehen jede Menge Kindergartenplätze für Kinder unter drei Jahren, die aber wichtig wären, damit die Heranwachsenden einen guten Start ins Schulleben hätten, zum anderen sagt man uns, dass SchülerInnen in Ganztagsschulen besser und effizienter lernen würden. Vor allem letzteres bestreiten sogar BildungswissenschafterInnen.
Die Hintergründe aber sind aus meiner Sicht andere, als die öffentlich kolportierten. In erster Linie geht es um die Notwendigkeit der Erwerbsarbeit, um existieren zu dürfen. Heute ist es wichtiger denn je, dass jeder erwachsene Mensch einer solchen nachgeht, weil es sonst – und gerade, wenn man Kinder hat – selbst mit dem Überleben schwierig wird, geschweige denn mit dem Leben. Daher müssen die Kinder dran glauben und zum einen ihre Eltern durch Abwesenheit von zuhause unterstützen sowie zum anderen um auf eben eine solche Form des Lebens vorbereitet zu werden. Michael Ende schildert eine solche Gesellschaft in seinem Märchenroman „Momo“, der schon in den Siebzigern des vergangenen Jahrhunderts die Misere prophetisch vorausahnte. Kinder werden, seiner Erzählung nach, in Kinderdepots untergebracht, um den Eltern beim Zeitsparen zu helfen. Bloß die Zeit, die hier durch Automation, Modernisierung und vor allem Beschleunigung allen Lebens eingespart wird, kommt nicht den Betroffenen zu Gute. Dahinter stecken die Grauen Herren, eine höchst institutionalisierte Gruppe von Männern, die die Stundenblumen der Menschen für ihr eigenes Leben brauchen. Sie verrauchen sie ganz einfach, um selbst existieren zu können. Noch nie wurde der Mythos, dass Zeit Geld ist, auf g’scheitere Weise enttarnt. Bei so vielen Entscheidungen, die zuletzt im Bildungsbereich getroffen wurden, steigen diese Bilder aus Momo in mir auf. Aus meiner Wahrnehmung geht es nämlich bei all dem gar nicht um die jungen Menschen, die noch dazu als Kinder versachlicht (das Kind) und als unfertig und damit höchst entwicklungsbedürftig eingestuft werden. Es geht vielmehr um den oben beschriebenen gesellschaftlichen Konsens, bestmöglich funktionieren zu lernen, den keiner mehr in Frage stellt. Dieser wird als alternativlos dargestellt und auch von den meisten so gesehen. Wer tatsächlich an die Bildung – und das bitte im Humboldtschen Sinn – glaubt, der wird sich dieser Sichtweise nicht anschließen können. Wer weiß, dass ein jeder Mensch von Geburt an wissbegierig, neugierig und bildungshungrig ist, um das zu erfahren, was er zum Leben braucht, muss laut aufschreien und andere Wege beschreiten. Elementare und indigene Kulturen bieten den Heranwachsenden die Fülle des jeweiligen Lebens von Anfang an. Die jungen Menschen lernen auf diese Weise genau das, was sie später können müssen, um zu leben. Dazu gibt es zwar MentorInnen außerhalb des eigenen Zuhauses, aber keine Institutionen wie Kindergarten oder Schule, die vorgeben, was wann zu wissen und zu können ist. Diese Haltung gilt in meiner Vision einer lebenslangen Bildung auch in unserer Kultur als Grundlage. Ich, der ich vor knapp zwei Jahren noch an die „bessere Schule“ glaubte, durfte mich vom Leben belehren lassen. Ich habe einen anderen Blick auf diese junge Menschen bekommen, ich habe erfasst, welches Potential in jeder und jedem von ihnen steckt und wie sie ganz individuell, interessensorientiert und Schritt für Schritt ihren eigenen Bildungsweg zu gehen in der Lage sind. Was sie wirklich brauchen, sind Menschen, die sie, wenn sie Fragen haben, dabei begleiten bzw. sie mit Wissenden und Erfahrenen vernetzen. Die so genannten Kulturtechniken (Schreiben, Lesen, Rechnen) werden auf diesem Weg implizit gelernt – und zwar in dem Umfang, in dem es für den Sich-Bildenden notwendig und sinnvoll ist. Nicht jedeR muss Differntialgleichungen lösen können, aber jedeR wird die Grundrechnungsarten beherrschen. Nicht jedeR muss eine Erörterung schreiben können, aber jedeR wird schriftlich und mündlich für seine Meinung einstehen können. Nicht jedeR muss Joyce’s Ulysses im Original lesen können, aber jedeR wird um die Wichtigkeit schriftlicher Informationen und um die Stärke und den Nutzen literarischer Texte wissen. Dazu braucht es die Erwachsenen, die ihren Nachwuchs ernst nehmen und erkennen, welcher Bildungsweg der sinnvollste und damit beste ist. Die Schule, wie wir sie heute kennen, mag für die eine oder den anderen nach wie vor die richtige Entscheidung sein. Es braucht aber auch die Ermöglichung anderer Bildungsweisen, fernab der derzeit vorgegebenen Bahnen. Die, die trotz derzeit anders lautender gesetzlicher Regelungen, den jungen Menschen schon heute diesen Weg ermöglichen – auch im Leben mit dem Widerstand der Gesellschaft und der staatlichen Institutionen – sind die PionierInnen der Bildungszukunft. Sie werden einst erinnert werden wie Olympe de Gouges, Mary Wollstonecraft oder Minna Canth für die Frauenrechte sowie Otto Lilienthal und die Gebrüder Wright fürs Fliegen. Sie seien hier explizit ermutigt, ihnen sei an dieser Stelle ausdrücklich gedankt! Gedanken zum Tag der Menschenrechte
Heute am Tag der Menschenrechte will uns bewusst werden, wie sehr das Leben und alles Lebendige auf diesem Planeten, unserer Erde, mit Füßen getreten werden. Wenn wir von Menschenrechten sprechen, dann plädiere ich für eine Ausdehnung des Begriffs auf Lebensrechte, damit alles Lebendige, Tiere und Natur etwa, inkludiert wird. Natürlich sind auch die jungen Menschen, die in unserem deutschen Sprachraum mit dem sächlichen Begriff “Kind” bezeichnet werden, da mit hinein zu nehmen. Zwar gibt es ja eine eigene Kinderrechtskonvention und mehrere Möglichkeiten, die Kinder an internationalen Tagen im Jahr zu feiern, aber diese Sonderstellung bedeutet für mich auch eine Diskriminierung dieser Gruppe von Menschen. In der Institution Schule etwa wird das Besondere gerne mit Integration (die eigentlich Segregation und nicht Inklusion ist), sonderpädagogischem Förderbedarf oder gar “Einweisung” in eine Sonderschule bestraft, also ausgesondert. Auch unsere Gesellschaft, als Abbild dieser Art von Schule, steht eher für Exklusion. “Besonders” wird man für Gesellschaft und Schule schon dadurch, dass man “Nein” sagt, Nein zu diesem Unterricht etwa, nein zu dieser Art von Umgang miteinander, Nein zu einer Antwort auf eine Frage, die man gar nicht gestellt hat und die einen nicht interessiert. Dieses Nein wird auf verschiedene Weisen ausgedrückt - und in der Regel missverstanden. Da gibt es die SchulverweigerInnen, die nicht (mehr)zu “beschulen” sind. Da gibt es die jungen Menschen, die krank werden an Körper und/oder Seele, jene, die nicht “mitkommen” (wollen) oder die, die sich vor lauter Missachtung ihrer Bedürfnisse nur noch über alles lustig machen und der Klassenkasperl werden. An diesen Um-und Zuständen leiden alle Beteiligten, auch LehrerInnen und Eltern. Diese Um- und Zustände zu ändern aber haben auch alle Beteiligten in der Hand. Das ist gute Botschaft. Jede/r kann dazu beitragen, die Strukturen unseres Bildungssystems zu wandeln. Wenn wir wirklich wollen, das ungezwungene junge Menschen ihr Leben leben dürfen, ganz sie sein dürfen, dann ist es zuerst einmal notwendig, auf die Fragen dieser Menschen zu hören, ihnen die Zeit zu schenken, das ihre auszudrücken und ihnen dann den Raum zu geben, der ihnen ermöglicht, Antworten auf ihre Lebens-Fragen zu erhalten - und ihr Leben zu leben. Das mag utopisch klingen, das mag viele Fragen aufwerfen, die nach Antworten rufen - ja! Aber ein Prozess ist ein Weg und der findet in Schritten statt. Schritt für Schritt werden Fragen entstehen und Antworten gefunden, Schritt für Schritt wird das entstehen, was entstehen muss, wenn Menschen ihr “Sich-Bilden” beginnen und das “Gebildet-Werden” hinter sich lassen. Und dieser Weg mag auch mit Unsicherheit ja sogar Angst verbunden sein, weil er so ungewiss ist - oder wie Bertrand Stern anlässlich des 1. “Nie-mehr-Schule”-Aktionstages im heurigen September in Wien sagte: “Wie diese Landschaften der Bildung außerhalb der Institution Schule aussehen, weiß ich auch nicht, ich weiß aber, dass es sie gibt!”. Aber er ist ein Weg in ein würdiges Mensch-Sein, dass die Lebensrechte alles Lebendigen respektiert. Wem all dies bewusst wird, der kann dem “Nein” eines jungen Menschen kein “Ja, aber” entgegensetzen, der will sich daran machen, diese neuen Wege zu beschreiten. Ich freue mich, wenn viele in dieses Bewusstsein kommen, sich an der Gestaltung von Räumen oder Landschaften des “Frei-sich-Bildens” beteiligen und damit diesem Feiertag der Menschenrechte seine Würde und Bedeutung verleihen. Am 15.9.2016 dann, am “Internationalen Tag der Bildungsfreiheit” können diese heute gestarteten Bemühungen im Rahmen des 2. “Nie-mehr-Schule”-Aktionstages sichtbar werden und eine neue, zukunftsträchtige Ära der Bildung einläuten. Das am vergangenen Dienstag von Bildungsministerin Heinisch-Hosek und Wissenschaftsstaatssekretär Mahrer „abgeklatschte“ Bildungs-Reform-Papier bietet für Bildungsinteressierte keinen Grund zur Freude.
Symptomatisch für mich war die Antwort Mahrers auf meine Frage, ob es denn aus seiner Sicht wirklich genüge, die Schule zu digitalisieren, um die jungen Menschen fit für eine Zukunft nach einer zehnjährigen Beschulung zu machen. Er verstieg sich zu den Worten, dass er diese Reform cool, nein fast geil finde (eine Aussage, die auch Schlagzeilen in der ZIB 2 vom 17.11.15 machte) um dann über die Wichtigkeit der Einbeziehung des Kindergartens in die Veränderungen der Bildungslandschaft in Österreich zu reden und den Stehsatz zu gebrauchen, dass es natürlich mehr brauche. Heiße Luft also. Diesen Eindruck wurde ich auch nicht los, als all die anderen Maßnahmen präsentiert wurden, die ich in meinem Beitrag für N21 zusammengefasst habe. Für mich persönlich hat sich einmal mehr die Erkenntnis bestätigt, dass Reformen immer bloß zu einer Verengung und damit Verschlimmerung des Systems führen, das System wird quasi noch mehr System. Aber das hat der Begriff Reform ja so an sich, der besagt, dass etwas „wieder in Form gebracht“ wird, eine Form, die seit Anbeginn besteht. Reformen können per se nie über diese Form hinausweisen. Hier also meine kurze Analyse der Reform, um mich dann wichtigerem zu widmen, nämlich dem not-wendigen Wandel unserer Bildungslandschaft. Die von mir angesprochene Verengung und damit Verschlimmerung des Systems lässt sich wirklich an allem festmachen, was da vorgetragen wurde, ich nehme einige symptomatische Punkte heraus:
Genug der Gedankenverschwendung an ein sterbendes System, das sich durch diese wohl allerletzte Reform noch das eine oder andere Jährchen am Leben halten möchte, aber letztlich zum Sterben verdammt ist. Worum es wirklich geht, ist der Blick in die Zukunft. Ab sofort müssen Bildungsbewegte Schritte einleiten, die junge Menschen fitt fürs Leben und ebendiese Zukunft zu machen. Wandel beginnt immer von unten nach oben, der Wandel von Zwangssystemen natürlich erst recht. In meiner Sendung auf Radio Orange am 18.11. haben meine Studiogäste beredet, wie das gehen könnte. Zwei Schlagworte aus dieser Diskussion scheinen mir im Zusammenhang mit einem wirklichen Wandel ganz wesentlich:
Bestens dafür eignet sich die von mir in diesem Blog schon mehrfach angesprochene Möglichkeit eines „Frei-Sich-Bildens“ mit Unterstützung von BildungswegbegleiterInnen und MentorInnen in von der öffentlichen Hand finanzierten und organisierten Bildungs-Räumen auf der Basis der Gedanken von Ivan Illich und Bertrand Stern. Diese nachfrageorientierte Form der Bildung führt in völlig neue Dimensionen, die den ganzen Menschen als Subjekt wahr- und ernstnimmt und ihm so sein je individuelles Sein zugesteht. Menschen, die sich auf diese Weise bilden, werden um Ihren Beitrag in der Gemeinschaft der Menschheit wissen und eine völlige neue Lebensweise mit Zukunft auf unserem Planeten Erde etablieren. Um diese Utopie Realität werden zu lassen, brauchen wir (junge) Menschen, die schon jetzt die Strukturen der Zwangsbeschulung mit ihren „Totes-Wissen-Prüfungen“ hinter sich lassen und sich auf ganz persönliche Bildungswege begeben. Sie brauchen Räume und Begleitung, die es umgehend zu schaffen gilt. Der für 2016 geplante „Nie-mehr-Schule“-Aktionstag wird dieses Thema tiefgreifend und auf vielen Ebenen behandeln. Ich lade alle Bildungsbewegten schon jetzt ein, Aktionäre dieser Idee zu werden und sich an vielen Orten, auf vielen Straßen aber doch gemeinsam auf den Weg zu machen, um die Zukunft der Bildung schon in unserer Gegenwart zu realisieren. Seit geraumer Zeit ringe ich mit dem Begriff "Kindheit". Mit dem Begriff "Mädchen" geht mir das schon länger so, da die deutsche Grammatik junge Frauen zu Sachen macht. Bertrand Stern hat in seinem Sommergespräch mit mir auf Radio Orange die Begriffe Schule, Lernen und Kind reflektiert und kritisch betrachtet. Das hat mich wieder einmal nachdenklich gemacht.
Nun stehe ich bereits am Ende der ersten Schulwoche im Osten Österreichs (der Westen startet ja erst am kommenden Montag in den Alltag)wieder mitten im schon verdrängten "Kinder"-Wahn. Diese jungen Menschen werden von ihren Bezugspersonen - und damit auch von vielen LehrerInnen - als klein und unmündig angesehen. Dementsprechend fällt dann auch das Zusammenleben aus, in dem sie andauernd belehrt werden, wie sie was zu machen hätten. Dann darf man sich nicht wundern, wenn sie überhaupt keine Eigeninitiative mehr entwickeln und nur noch auf Anweisung funktionieren. Abgesehen davon ist das von Unterrichtenden oft kritisierte "Tratschen" jedenfalls auch immer der Versuch, sich das gerade "Durchgenommene" mit eigenen Worten anzueignen. In der Lerntypenforschung werden jene auch "verbaler Lerntyp" genannt. Junge Menschen als "Kinder" zu bezeichnen ist meiner Ansicht nach Fluch und Segen, wobei meiner Meinung nach die Nachteile eindeutig überwiegen. Einerseits bedeutet es Schutz für die Heranwachsenden, andererseits gesteht man ihnen damit - auch grammatisch - keinen Subjekt-Status zu. "Das" Kind wird auf dieser Weise auch zu einem von Erwachsenen abhängigen Objekt degradiert, für die die Erklärung der Menschenrechte nur eingeschränkt gilt. Als solche Einschränkung könnte man die Kinderrechtskonvention missverstehen. Aber: sie formuliert die Menschenrechte aus der spezifischen Perspektive von Kindern und ist so gesehen deren Vertiefung für den Umgang von Erwachsenen mit den Heranwachsenden. Das "best interest of the child" - ins Deutsche mit dem Begriff "Kindeswohl" übertragen - ist demnach vorrangig zu berücksichtigen. Auch hier kommt es zu vielen Missverständnissen - wie etwa Anzeigen des Stadtschulrates gegen Freilerner-Eltern bezeugen, die in der Verletzung der Schulpflicht eine Kindeswohlgefährdung erkennen, die übrigens auch durch kein Gesetz zu rechtfertigen ist - und schon gar nicht mit der angesprochenen Kinderrechtskonvention. Soweit allerdings muss man gar nicht gehen, wenn man den Alltag von jungen Menschen betrachtet. Denn auch das derzeit herrschende Bildungssystem zwingt sie in den Objekt-Status von Zwangsbeschulten, die zu klein oder zu unentwickelt, ja sogar unterentwickelt sind, um sich frei um ihre Bildung zu kümmern. Sicher brauchen sie unter anderem - wie wir alle von Zeit zu Zeit -Menschen die sie begleiten und ihnen die Möglichkeiten aufzeigen, wie sie ihre Neugier und ihren Wissensdurst stillen können. Dazu aber dient der Unterricht keineswegs. Hier werden sie systematisch für dumm verkauft - damit sie gute "Untertanen" werden. Oder wie es Reinhard Mey in seinem Lied "Sei wachsam" treffend formuliert: "Der Minister nimmt flüsternd den Bischof beim Arm: Halt du sie dumm, – ich halt’ sie arm!" |
Michael Karjalainen-Dräger
diplomierter Pädagoge und Bachelor of Education war 10 Jahre im öffentlichen Schulwesen in Wien als Lehrer tätig, danach 3 Jahre lang Leiter einer von ihm gegründeten "freien" Schule in Niederösterreich. Seit 2013 trainiert er Menschen, die jungen Menschen freie Bildungs-Räume öffnen wollen. Kategorien
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March 2020
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