ls gewichtiges Argument für die Schule und gegen jegliche individuelle Alternative, die nicht tagtäglich in der Gemeinschaft Gleichaltriger stattfindet, wird von den meisten Bildungsverantwortlichen, aber auch sehr vielen Eltern, das für die Gesellschaft so nötige soziale Lernen der Heranwachsenden genannt. So hat auch Sibylle Hamann, die Bildungssprecherin der Grünen, im ausführlichen Gespräch mit mir betont, wie wichtig es sein, auch mit Menschen, die man sonst nie getroffen hätte, in Kontakt bzw. mit ihnen klar zu kommen.
Beim genaueren Hinschauen verliert diese Argumentation aus meiner Sicht aber enorm an Gewicht. Schüler*innen werden in der Schule (mit Ausnahme der Mehrstufenklassen im Volksschulbereich) in Klassen mit Gleichaltrigen gesteckt, die Anzahl der auf diese Weise gemeinsam Unterrichteten beträgt im Schnitt 25. Die Kommunikation untereinander beschränkt sich auf das Fachliche oder gar nur auf die Pause. Für soziale Konflikte in einer so großen Gruppe gibt es maximal eine Klassenvorstandsstunde oder eine Stunde „Soziales Lernen“ in der Woche. Die vom System vorgegebene Notwendigkeit der Leistungsfeststellung und Leistungsbeurteilung, also von Prüfungen, Tests, Schularbeiten und Schulnoten, die jede*r einzeln zu absolvieren hat, stärken das Konkurrenzverhalten zu Lasten der Kooperation. Asoziales Lernen also statt Sozialem Lernen. Hier werden die Grundregeln der Gruppendynamik missachtet, es besteht durch die Altershomogenität, also Gleichaltrigkeit kaum eine Möglichkeit sich voneinander abzuheben, als durch bessere Noten. Die Schule hätte Möglichkeiten, hier neue Ansätze zu bieten, kleine altersheterogene Gruppen mit 8-12 Schüler*innen beispielsweise, Kooperationsmöglichkeiten statt Einzelleistungen, flexible Gestaltung des Schulalltages mit Phasen, die man nicht im Klassenzimmer verbringt. Und die VertreterInnen des Schulsystems sollten endlich dieses Argument aufgeben, wonach in der derzeitigen Form Schule ein Ort des sozialen Lernens ist. Beispiele von jungen Menschen, die im häuslichen Unterricht begleitet werden, zeigen, dass die keinerlei Probleme im Zusammensein mit anderen Menschen jeglichen Alters haben. Sie haben erfahren, was Achtsamkeit und Respekt ist, wie wichtig es ist, auf Bedürfnisse zu achten, die eigenen und die fremden und sind dadurch selbstverständlich in der Lage genauso diese Qualitäten auch in ihrem Leben sich selbst und den anderen gegenüber einzusetzen. Den Befürworter*innen des jetzigen Systems geht damit ein „Totschlagargument“ endgültig verloren. Besinnen wir uns lieber auf konstruktive Lösungen für eine gute Schule von morgen – und setzen wir endlich Maßnahmen, dass es neben der Schule auch legale individuelle Bildungswege geben darf.
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Gleich zu Beginn der Ferien wurde auf orf.at unter der Schlagzeile „Eltern als Lerntrainer“ ein Artikel gepostet, der sich mit einer veritablen Misere des gegenwärtigen Schul-Unterrichts beschäftigt. Tatsächlich ist es aus meiner Erfahrung und auch aufgrund der vielen mir zugetragenen Schul-Geschichten Usus, dass Eltern für die Hausübungen ihrer Sprösslinge verantwortlich gemacht werden. Mag es zwar richtig sein, dass man ihnen die Verantwortung dafür übergibt, dass ihre Kinder ihre Hausübungen machen, so kann damit keineswegs verbunden sein, dass man auf Richtigkeit und Vollständigkeit achten muss. Letzteres aber wird sehr oft von den Unterrichtenden erwartet oder sogar gefordert. Hier handelt es sich aus meiner Sicht eindeutig um eine Retourkutsche der ebenso verkehrten Forderung zahlreicher Eltern, die Schule und deren LehrerInnen mögen die Erziehung des Nachwuchses übernehmen. Eine reflektierte Haltung sieht anders aus.
An dieser Stelle möchte ich nochmals die Sinnhaftigkeit von Hausübungen in Frage stellen, gehen sie doch von einem Lernvorgang aus, der mechanistische Grundzüge trägt. Allerdings kann ein nicht verstandener Inhalt auch durch eine Hausübung, bei der SchülerInnen nicht auf eine Fachkraft zurückgreifen können, nicht erlernt werden. Zudem gehen aktuelle Erkenntnisse der Hirnforschung davon aus, dass nur dort wirklich gelernt wird, wo Interesse da ist und wo Probleme (alleine, in Teams oder auch mit Unterstützung) gelöst werden können. Auf diese Weise bilden sich bleibende Synapsen. Eltern sollen Eltern sein, LehrerInnen bei ihrem „Leisten“ bleiben. Eltern als Lerntrainer sind daher ein No-Go! Um diese Sichtweise tatsächlich zu verankern, muss sich Unterricht allerdings grundlegend ändern. Auch gilt es das ganze Schulsystem in Frage zu stellen, da es – trotz aller Reformen - immer noch auf dem Bild des „Nürnburger Trichters“ aufbaut. Das einzige was damit tatsächlich erreicht werden kann, ist eine nachhaltige Beschädigung der Lernfreude. Lernen und Unterricht werden synonym gesetzt, die Freude am Neuen, die Neugier am Dasein, die jedem Menschen in die Wiege gelegt wird, leidet. Man zieht sich auf Bewährtes und Bekanntes zurück und hofft, dass das reicht, das Leben zu bewältigen. Auf diesem Weg aber werden die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft nicht bewältigt werden können. Wenn Schule aber einen wirklichen Beitrag zur Lösung aktueller und zukünftiger Probleme leisten will, dann hat sie die Notwendigkeit sich von Grund auf zu wandeln. Dafür sollten sich alle Beteiligten einsetzen, auch wenn das Problem zumindest aus Eltern- und SchülerInnensicht auf 9 bis 12 Jahre beschränkt ist. Schon seit geraumer Zeit wird der Ruf nach ganztägigen Bildungseinrichtungen immer lauter. Zum einen fehlen österreichweit gesehen jede Menge Kindergartenplätze für Kinder unter drei Jahren, die aber wichtig wären, damit die Heranwachsenden einen guten Start ins Schulleben hätten, zum anderen sagt man uns, dass SchülerInnen in Ganztagsschulen besser und effizienter lernen würden. Vor allem letzteres bestreiten sogar BildungswissenschafterInnen.
Die Hintergründe aber sind aus meiner Sicht andere, als die öffentlich kolportierten. In erster Linie geht es um die Notwendigkeit der Erwerbsarbeit, um existieren zu dürfen. Heute ist es wichtiger denn je, dass jeder erwachsene Mensch einer solchen nachgeht, weil es sonst – und gerade, wenn man Kinder hat – selbst mit dem Überleben schwierig wird, geschweige denn mit dem Leben. Daher müssen die Kinder dran glauben und zum einen ihre Eltern durch Abwesenheit von zuhause unterstützen sowie zum anderen um auf eben eine solche Form des Lebens vorbereitet zu werden. Michael Ende schildert eine solche Gesellschaft in seinem Märchenroman „Momo“, der schon in den Siebzigern des vergangenen Jahrhunderts die Misere prophetisch vorausahnte. Kinder werden, seiner Erzählung nach, in Kinderdepots untergebracht, um den Eltern beim Zeitsparen zu helfen. Bloß die Zeit, die hier durch Automation, Modernisierung und vor allem Beschleunigung allen Lebens eingespart wird, kommt nicht den Betroffenen zu Gute. Dahinter stecken die Grauen Herren, eine höchst institutionalisierte Gruppe von Männern, die die Stundenblumen der Menschen für ihr eigenes Leben brauchen. Sie verrauchen sie ganz einfach, um selbst existieren zu können. Noch nie wurde der Mythos, dass Zeit Geld ist, auf g’scheitere Weise enttarnt. Bei so vielen Entscheidungen, die zuletzt im Bildungsbereich getroffen wurden, steigen diese Bilder aus Momo in mir auf. Aus meiner Wahrnehmung geht es nämlich bei all dem gar nicht um die jungen Menschen, die noch dazu als Kinder versachlicht (das Kind) und als unfertig und damit höchst entwicklungsbedürftig eingestuft werden. Es geht vielmehr um den oben beschriebenen gesellschaftlichen Konsens, bestmöglich funktionieren zu lernen, den keiner mehr in Frage stellt. Dieser wird als alternativlos dargestellt und auch von den meisten so gesehen. Wer tatsächlich an die Bildung – und das bitte im Humboldtschen Sinn – glaubt, der wird sich dieser Sichtweise nicht anschließen können. Wer weiß, dass ein jeder Mensch von Geburt an wissbegierig, neugierig und bildungshungrig ist, um das zu erfahren, was er zum Leben braucht, muss laut aufschreien und andere Wege beschreiten. Elementare und indigene Kulturen bieten den Heranwachsenden die Fülle des jeweiligen Lebens von Anfang an. Die jungen Menschen lernen auf diese Weise genau das, was sie später können müssen, um zu leben. Dazu gibt es zwar MentorInnen außerhalb des eigenen Zuhauses, aber keine Institutionen wie Kindergarten oder Schule, die vorgeben, was wann zu wissen und zu können ist. Diese Haltung gilt in meiner Vision einer lebenslangen Bildung auch in unserer Kultur als Grundlage. Ich, der ich vor knapp zwei Jahren noch an die „bessere Schule“ glaubte, durfte mich vom Leben belehren lassen. Ich habe einen anderen Blick auf diese junge Menschen bekommen, ich habe erfasst, welches Potential in jeder und jedem von ihnen steckt und wie sie ganz individuell, interessensorientiert und Schritt für Schritt ihren eigenen Bildungsweg zu gehen in der Lage sind. Was sie wirklich brauchen, sind Menschen, die sie, wenn sie Fragen haben, dabei begleiten bzw. sie mit Wissenden und Erfahrenen vernetzen. Die so genannten Kulturtechniken (Schreiben, Lesen, Rechnen) werden auf diesem Weg implizit gelernt – und zwar in dem Umfang, in dem es für den Sich-Bildenden notwendig und sinnvoll ist. Nicht jedeR muss Differntialgleichungen lösen können, aber jedeR wird die Grundrechnungsarten beherrschen. Nicht jedeR muss eine Erörterung schreiben können, aber jedeR wird schriftlich und mündlich für seine Meinung einstehen können. Nicht jedeR muss Joyce’s Ulysses im Original lesen können, aber jedeR wird um die Wichtigkeit schriftlicher Informationen und um die Stärke und den Nutzen literarischer Texte wissen. Dazu braucht es die Erwachsenen, die ihren Nachwuchs ernst nehmen und erkennen, welcher Bildungsweg der sinnvollste und damit beste ist. Die Schule, wie wir sie heute kennen, mag für die eine oder den anderen nach wie vor die richtige Entscheidung sein. Es braucht aber auch die Ermöglichung anderer Bildungsweisen, fernab der derzeit vorgegebenen Bahnen. Die, die trotz derzeit anders lautender gesetzlicher Regelungen, den jungen Menschen schon heute diesen Weg ermöglichen – auch im Leben mit dem Widerstand der Gesellschaft und der staatlichen Institutionen – sind die PionierInnen der Bildungszukunft. Sie werden einst erinnert werden wie Olympe de Gouges, Mary Wollstonecraft oder Minna Canth für die Frauenrechte sowie Otto Lilienthal und die Gebrüder Wright fürs Fliegen. Sie seien hier explizit ermutigt, ihnen sei an dieser Stelle ausdrücklich gedankt! Dieser Tage wurde den SchülerInnen einer Klasse an einer Wiener AHS vom Klassenvorstand ein an die Eltern adressiertes Kuvert übermittelt. Darin befand sich der Werbefolder eines Nachhilfeinstituts. Dieser kam gerade rechtzeitig vor den ersten Schularbeiten. Anzunehmen ist, dass diese Werbebotschaft an der Schule flächendeckend verteilt wurde, anzunehmen ist weiters, dass dies nicht die einzige Wiener AHS war, in der das passierte.
Das Gymnasium und die Nachhilfe sind immer schon siamesische Zwillinge gewesen, das war zu meiner Zeit so, das war zu Zeiten, in denen meine Töchter diese Schulart besuchten so. Und das ist heute auch noch so. Was sich geändert hat, ist die wachsende Unbedingtheit von Nachhilfe für den Schulerfolg und dass sie daher auch schon so etwas wie state of the art geworden ist. All jene, die es in der Volksschule geschafft haben, die nötigen Noten zu bekommen, sind ohnehin schon lern-geeicht. In der Regel werden diese Leistungen dann erreicht, wenn der junge Mensch durch Eltern, Lernbegleiter oder auch Nachhilfe unterstützt wird. Das ganze intensiviert sich dann nochmals mit dem Wechsel an die AHS. Und spätestens hier stellt sich die Frage: Warum gelingt es der Institution Schule nicht, da sie doch junge Menschen so viele Stunden täglich unterrichtet (in der 4. Klasse Volksschule sind es in Summe immerhin 24, in der 1. Klasse AHS 30 Wochenstunden) und ihnen dann auch noch Hausübungen aufgibt (die auch noch mehr als 1 Stunde pro Nachmittag in Anspruch nehmen), den Lern- und damit Prüfungserfolg sicherzustellen? Warum also brauchen SchülerInnen Nachhilfe, die ihnen – wie im angeführten Beispiel – auch dringend und drängend ans Herz gelegt wird? Sowohl Hirnforscher als auch Lerntheoretiker wissen, dass dauerhaft nur behalten wird, was wirklich von Interesse ist. Was aber interessiert junge Menschen im AHS-Alter? Wenn man sie dazu befragt, dann wissen die wenigsten eine Antwort darauf, meist sprechen sie dann von Freizeitaktivitäten oder Musik. Diese scheinbare Interessenlosigkeit ist aber die Folge eines immer früher einsetzenden Curriculums, das vorgibt, was wann von Interesse zu sein hat bzw. was wann gelernt und gewusst werden muss. Auf diese Weise werden junge Menschen, die schulischen Erfolg haben wollen, vom ersten Schultag an schlicht und einfach bevormundet. Durch Bildungsrahmenpläne in der Elementarpädagogik wird das schulische System nun noch weiter vorverlegt, zumindest im letzten Kindergartenjahr beginnt der „Schulstress“. Ist es dann ein Wunder, dass sich das Gehirn in einem Selbstreinigungsprozess spätestens nach der Prüfung des gesamten Wissens – so es nicht das Interesse des Lernenden gefunden hat – entledigt und es schnellstmöglich vergisst? Ist es ein Wunder, dass das Gehirn der meisten Lernenden schon bei der Lehrstoffaufnahme streikt und sich gegen das Gemästet-Werden mit Sinnlosem, oft totem Wissen, das nichts mit dem eigenen Leben zu tun hat, wehrt? So lange diese Mechanismen mit Nachhilfe bekämpft werden, wird ein stetig wachsender Wirtschaftszweig gute Umsätze und noch bessere Gewinne erzielen. An der Lernleistung wird sich in der Regel allerdings kaum etwas ändern, möglicherweise aber am Charakter der auf diese Weise Vergewohltätigten. Bessere Menschen werden sie dadurch jedenfalls keine. Da gäbe es andere, wesentlichere Bereiche, für deren Erfahren und Erleben aufgrund des schulisch geprägten Lernens kein Platz im Leben der Heranwachsenden ist. Das ist eine weitere Katastrophe. Wie lange noch werden Eltern dabei zusehen und sogar in rauen Mengen Geld ausgeben, um diesen Missstand aufrecht zu erhalten? Wie lange noch werden Kindeswohl und Kinderrechte aus der Sicht von Erwachsenen definiert ohne auch nur einen Moment jene zu Wort kommen zu lassen, die davon betroffen sind? Ihr Nein dazu tun die Betroffenen in der Regel nicht verbal kund, sondern durch „Schulversagen“ oder Verhaltensauffälligkeiten. Aber auch dafür haben wir Namen und Therapien gefunden, um die jungen Menschen gefügig zu machen. Sie sollen ja funktionieren lernen, notfalls auch mit Hilfe von Medikamenten. Diese Haltung aber führt unsere Gesellschaft Schritt für Schritt in den Abgrund. Die Anfänge werden dieser Tage bereits immer öfter beklagt … Wissenschaftsstaatssekretär Mahrer hatte bei der Präsentation der Ergebnisse der Bildungsreformkommission am 17.11. ja den einen oder anderen wunderbaren Spruch direkt aus der Marketing-Kiste auf Lager. Neben seiner Aussage, dass diese Reform "cool, nein richtig geil" sei, gebrauchte er noch das eine oder andere neu-deutsche Wort. Er sprach im Hinblick auf die notwendige Digitalisierung der Schule auch von Gamification.
Außenstehende ahnen möglicherweise gar nicht, was sich dahinter verbirgt. Der Begriff meint die Anwendung spieltypischer Elemente und Prozesse im spielfremden Kontext. Da das Spielen der Schule im wesentlichen fremd ist, geht es also auf den ersten Blick um den Einbau von spielerischen Elementen in den Unterrichtsalltag. Diesen Einbau durften wir schon in den letzten Jahren erleben, als die Volksschulklassen in ganz Österreich mit jeweils 2 PCs ausgestattet wurden, um die Heranwachsenden sozusagen an's fürs Leben wichtigste Gerät zu gewöhnen. (Die Formulierung "Gewöhnung ans Gerät" stammt übrigens aus dem Militärjargon und bezieht sich in der Regel auf Waffen). Hier wurde die Gamifizierung des Unterrichts schon mal anhand von Lernspielen erprobt. Im schulischen Rahmen sollen damit Motivation und Lernerfolg gesteigert werden, was laut ersten Erhebungen auch der Fall sein soll. Nun ist meines Erachtens der Computer für den Drill und das Einüben von genormten Inhalten - systemimmanent betrachtet - durchaus geeignet. Von außen besehen aber ist schnell klar, dass sich auf diese Weise zwar Vokabel und Formeln lernen lassen, aber keinesfalls Sprache oder Mathematik. Und was noch erschreckender ist: es lassen sich Tempo und Funktionieren trainieren, das Leben aber bleibt völlig außen vor. Ist die Institution Schule an sich schon ein Paralleluniversum so wird sie mit dem so gestalteten Einsatz des Computers nun endgültig zum virtuellen Outerspace. Ein Posting auf Facebook hat mich heute zu diesem Beitrag animiert. "Als ich ein Kind war hieß mein soziales Netzwerk 'Draußen'" stand da zu lesen. Ja, dieses Draußen hatte viel Leben, es war sozusagen die wahre Schule fürs Leben. Ob dieses Draußen nun tatsächlich in der Natur war oder einfach darußen in der (städtischen) Welt, in dem man mit FreundInnen unterwegs war, um das eine oder andere zu unternehmen oder kennenzulernen, tat wenig zur Sache. Jedenfalls fand auf diese Weise Kontakt mit anderen statt, die der Mensch als soziales Wesen so dringend notwendig hat. Die Teilnahmezahlen an Sozialen Netzwerken beweisen dieses Bedürfnis, nur entsteht daraus im Netz selten eine echte tragfähige soziale Beziehung im richtigen Leben. Ganz im Gegenteil werden die virtuellen Kontakte oft zum Beziehungskiller und das wirkliche Leben töten sie auch ab. Kein Wunder dass wir dann vor den Herausforderungen des Alltags bald kapitulieren und nach dem "Papa, der's schon richten wird", rufen. Solche Typen gibt es viele in einer solchen Welt. Und die Institution Schule bereitet auf diese Verhaltensweisen hervorragend vor. Auch ich verbringe einen Teil meiner Zeit vor dem Computer, um zu schreiben, um Sendungen zu gestalten, um dem nachzugehen, was ich tun will. Aber einen noch größeren Teil widme ich den sozialen Kontakten in meiner Familie, also meinen Kindern und meiner Frau und den Menschen, die ich im Rahmen meiner Tätigkeit treffe. Daraus ist schon die eine oder andere sehr tragfähige Beziehung entstanden, die in Freud' und Leid' mein Leben bereichert. Beschämend, dass wir den jungen Menschen gerade das vorenthalten wollen, in dem wir sie mit diesen gehäuften Ausflügen in die virtuelle Welt noch mehr auseinanderrücken und zu EinzelkämpferInnen machen. Leben - so meine nach diesen Gedanken erzielte Schulussfolgerung - findet nicht in der Institution Schule statt, daher kann sie auch nicht auf's Leben vorbereiten. Leben findet draußen statt. Auf's Leben kann auch nicht vorbereitet werden, denn es will einfach - gemeinsam mit anderen - gelebt werden. So einfach ist das! Und so erfolgversprechend! Als ich in meinem letzten Blogbeitrag vom vergangenen Montag Einstein als Schulversager darstellte, wurde ich prompt eines besseren belehrt.
Gut so! Ich lerne (mittlerweile) gerne! Und das, obwohl ich nach der Matura nie wieder eine "Bildungseinrichtung" betreten wollte und Lernen für mich auf Schule reduziert war. Nie mehr Schule - nie mehr lernen! So stürzte ich mich damals gleich mal in eine Karriere als Banker, die mich knappe 10 Jahre später in einem Burnout zurückließ. Das hieß damals übrigens noch ziemlich sperrig und "Alt-Deutsch" Vegetatives Erschöpfungssysndrom. Also musste ich mich mit Anfang Dreißig auf die Suche nach meinem eigentlichen Wesen begeben. Auch das war gut so. Besser später als zu spät. Nun, knappe zwei Jahrzehnte danach, bin ich einer, der seinen Bildungsweg sehr individuell und an den Fragen orientiert, die sich mir immer wieder (neu) stellen, Schritt für Schritt geht. Auch bin ich zum Bewusstsein gelangt, dass ich mit meinem schlechten "Schulgefühl" recht hatte. Die Institution Schule bietet keine Orte einer nachfrageorientierten Bildung, die dem Wesen des Wissbegierigen entspricht. Sie bietet ja auch höchst selten wahrhaft Wissende, die nicht nur über etwas reden, das sie aus Büchern oder in verschulten Bildungsinstitutionen erworben haben, sondern durch eigene Erfahrung UND Bildung. Zurück zu Einstein. Einstein war also - auch meiner neuesten Recherche nach - kein Schulversager. Danke, dass diese Legende nun endlich geklärt ist. Aber - und auch das konnte ich durch meine Recherche herausfinden - er war ein schulkritischer Mensch. Einer, der die Institution und ihre Praktiken anprangerte. Einer, der das Pauken und den eingeforderten blinden Gehorsam nicht akzeptieren wollte. Einer, der mit schulkritischen Bemerkungen auch in den Jahren nach der Schule seine Einstellung kundtat. Und insofern ist er für mich zum noch gewichtigeren Zeugen dafür geworden, dass die "Schule" und ihr Unterricht von gestern sind. Einem Schulversager könnte man leicht vorwerfen, dass er die Schule deswegen schlecht macht, weil er nicht damit zu recht gekommen ist. Einem erfolgreichen Schüler aber wird man diesen Vorwurf nicht so ohne weiters machen können. Und so möchte ich meinen Beitrag mit einem Einstein zugeschriebenen Zitat beschließen: "Weisheit ist nicht das Ergebnis der Schulbildung, sondern des lebenslangen Versuchs, sie zu erwerben." Machen wir uns also auf den Weg zur Weisheit - und legen wir die Fesseln des gegenwärtigen Schulunterrichts ab, um endlich frei uns zu bilden! Immer noch wird an der Institution Schule herumgedoktert. Immer noch stellt man vieles in Frage, aber nicht das Entscheidende, nämlich den Unterricht. Immer noch hält man von allen Seiten daran fest, dass es eine Schulreform braucht, obwohl doch bitte in den letzten Jahren eine Reform die andere gejagt hat ...
Reform? Ja, Reform. Wie der Duden schon sagt, meint der Begriff die „planmäßige Neuordnung, Umgestaltung, Verbesserung des Bestehenden (ohne Bruch mit den wesentlichen geistigen und kulturellen Grundlagen)“ Der Klammerausdruck hat es in sich, er beschreibt das Dilemma, wenn es um eine Reform der Schule geht. Und er weist die Richtung für die Bewältigung desselben. Schule braucht keine weitere Reform, sie muss einen grundlegenden Wandel erfahren. Die Bildungspsychologin Christiane Spiel bestätigt in einem Interview mit der Wiener Zeitung vom vergangenen Montag, das zum Erscheinen ihres neuen Buches „Schule – Lernen fürs Leben?!“ abgedruckt wurde, die verengte Sichtweise mit dem Blick auf Reformen statt Wandel. So meint sie, dass es ein Problem sei, dass Reformbemühungen erst nach circa 10 Jahren (also zwei Legislaturperioden) wirksam würden, was den diesbezüglichen Eifer von PolitikerInnen stark einschränken würde. Sie sieht Veränderungsmöglichkeiten in einer gesunden Mischung von „Top-Down“ und „Bottom-Up“, aber nicht von außen, und spricht von der Notwendigkeit einer „systematischen Implementation“ und von Schulentwicklung, in die die LehrerInnen eingebunden werden müssen. Ebenso werden PISA, Finnland und Südkorea genannt und der Erfolg des Einsatzes von „neuen Medien“ kritisch betrachtet, da sie die Lehrpersonen nicht ersetzen könnten. Zu den Mythen von PISA möchte ich folgendes anmerken:
Wenn wir also dieser Tage wieder und immer wieder erleben, dass Reformen gefordert werden, aber selbst dann, wenn sie umgesetzt werden, scheitern, dann liegt das nicht an der Qualität derselben. Es liegt schlicht und ergreifend daran, dass die Grundlagen des Bildungswesens auf der Institution Schule fußen. Um es noch einmal deutlich zu sagen: Wer die Institution Schule reformieren will, wird mehr Institution Schule bekommen. Daher sollten wir endlich den Ausbruch aus dieser Institution Schule wagen und unsere Energie für einen wirklichen Wandel einsetzen, alle weiteren Reformbemühungen sind verlorene Liebesmüh’. Am gestrigen Mittwoch, 16.9. moderierte ich in meiner Sendereihe "Nie mehr Schule" auf Radio Orange eine Studiosikussion mit VertreterInnen von 6 wahlwerbenden Parteien (SPÖ, FPÖ, Grüne, ÖVP, NEOS und Wien Anders) für die Wien-Wahl 2015 zu den Themen Schule und Bildung.
Im dritten Themenblock ging es um "Bildung ohne Schule". Für die anwesenden PolitikerInnen war - trotz unterschiedlicher Auffassung zu den Begriffen "Bildung" und "Ausbildung" - eine (Aus-)Bildungswelt ohne Schule NICHT vorstellbar, für die nachher analysierenden Gäste (einen Vater, einen Schüler und eine Lehrerin) aber durchaus. Für mich lassen sich daraus folgende Schlüsse ziehen: 1.) Es gibt eine Diskrepanz zwischen den Ansichten von PolitikerInnen, die die gesetzliche Grundlagen des (Aus-)Bildungssystems schaffen und jenen, die direkt davon betroffen sind. 2.) Der Schule wird von den PolitikerInnen unisono insofern Notwendigkeit attestiert, als sie dazu dient, die Ausbildung für den Arbeitsmarkt zu ermöglichen. 3.) Bildung hingegen beginnt für diese von der Geburt an - und wird dann durch elementarpädagogische, schulische und universitäre Ausbildung ergänzt. 4.) Für Menschen, die einen anderen als den schulischen Bildungsweg einschlagen wollen, bietet sich bloß der häusliche Unterricht. Der ist aber an den erfolgreichen Abschluss einer jährlich stattfindenden Externistenprüfung gekoppelt. Verläuft diese negativ muss die/der SchülerIn das Schuljahr in einer öffentlichen Schule wiederholen. Wird die Externistenprüfung nicht durchgeführt, werden die Erziehungsberechtigten mit Sorgerechtsentzug bedroht, obwohl selbst das Jugendamt dies nicht als Kindeswohlgefährdung sieht. 5.) In den Köpfen der Verantwortlichen ist "Schule" derzeit offenbar (noch) in Stein gemeißelt, da sie u.a. die "Vererbung von Bildung" ausgleicht und "fit für die Gesellschaft" macht. 6.) Für die eklatanten Schwachstellen des bestehenden Unterrichts-Systems werden Korrekturen und Reformen gefordert, so soll dafür auch mehr Geld locker gemacht werden, um einer individuellen und differenzierten Förderung junger Menschen gerecht zu werden. Aus meiner Sicht ist das Herumdoktern am bestehenden System, wie es etwa auch die Reformen der Hauptschule zur KMS (Kooperative Mittelschule) bzw. NMS (Neue Mittelschule) und WMS (Wiener Mittelschule) und die Diskussion um Ganztags- sowie Gesamtschule zeigen, verlorene Liebesmüh'. Auch das Ausweichen auf "Alternativschulen" führt dort an die Grenzen, wo die Finanzierung des Schulplatzes zur Gänze von den Familien zu tragen ist, wie das bei allen freien Schulen der Fall ist, die nicht von einer der anerkannten Religionsgemeinschaften (etwa der kath. Kirch oder Jehovas Zeugen) erhalten werden (Anm.: diese erhalten die LehrerInnenkosten vom Staat ersetzt, was ca. 75-80% des Schulbudgets ausmacht). Es braucht also nicht noch eine weitere Reform, sondern eine Bildungs-(R)Evolution. Diese kann aber - wie alle (R)Evolutionen nicht von oben gemacht werden, sondern nur durch die Betroffenen selbst. Und deren Unzufriedenheit und Unruhe steigt von Jahr zu Jahr. Bleibt nur die Frage offen: Warum hat sich diese steigende Menge von Menschen noch nicht aktiv und gemeinsam in Bewegung gesetzt? Es fehlt sicher einerseits die Initialzündung und offenbar auch noch die kritische Masse. Mit dem "Nie-mehr-Schule"-Aktionstag am kommenden Montag, 21.9.15 möchte ich einen weiteren Impuls zu dieser Bildungs-(R)Evolution geben, denn die Bildung der Zukunft wird eine ohne (Schul-)Unterricht sein - oder Bildung wird nicht mehr sein. Die Schule hat uns wieder - also erst einmal den Osten Österreichs, der Süden und Westen folgen in einer Woche. Sie beginnt aber sehr sanft, man startet als SchülerIn für 1-2 Schulstunden, oft erst um 9 Uhr. Als LehrerIn kommt es ein bisschen dicker, wird doch der erste Schultag oft gleich für die Jahres-Anfangs-Konferenz genützt. Und die kann dauern. Das wird auch als Grund angegeben, wenn man fragt, warum der erste Schultag so kurz ist. Für mich gibt's aber auch noch einen anderen Grund: Das, was junge Menschen so im Lauf eines Jahres - und in Summe dann in zumindest 9 Jahren - lernen sollen, kann man bei guter Begleitung innerhalb weniger Wochen "zu sich nehmen". Wenn wir uns ehrlich sind, dann weiß das jeder Beteiligte. Der Großteil der Zeit geht damit auf, junge Menschen dazu zu bringen, dem, was gerade im Lehrplan und damit am Unterrichtsplan steht, aufmerksam zu folgen. Diese versuchte Motivation von außen (auch extrinsische Motivation genannt) ist nicht nur zeitaufwändig, sie ist im Großen und Ganzen sinnlos. Solange Heranwachsende dazu gezwungen werden, ihre Fragen erst dann zu stellen, wenn es das Curriculum vorsieht und sich mit Fachgebieten und Inhalten zu beschäftigen, die - wenn überhaupt - nur für eine Prüfung gelernt werden, weil sie nichts mit den Interessen des Wissen-Wollenden zu tun haben, ja solange wird eine Schule wie diese nicht funktionieren. Wenn wir aber endlich die wahre Motivation der Neugierigen und Wissbegierigen (also deren intrinsische Motivation) Ernst nehmen würden, dann hätten wir lauter hochgebildete Menschen, die das machen, was sie am besten können, weil es ihren Fähigkeiten, Interessen, ja ihrem Lebens-Sinn entspricht. Wer braucht in dem noch geprüft werden, was seines ist? Und um eine Kritik gleich vorweg zu nehmen: Die sogenannten Kulturtechniken Schreiben, Lesen und Rechnen kann man auf dem gleichen Weg - also auch ohne in ihnen unterrichtet worden zu sein - lernen. Beobachten Sie mal ihre ganz jungen Menschen (auch schon mit 3 und 4 Jahren) wie die sich für die Buchstaben, die Zahlen und die Bücher interessieren, wenn sie Teil ihres Lebensalltags sind. Franz Josef Neffe, Pädagoge und Gründer der Ich-Kann-Schule, hat meine Blog-Beiträge und die Idee des "Nie-mehr-Schule" kritisch kommentiert, weil er der Ansicht ist, dass nicht die Schule schlecht ist sondern der Unterricht. Er schreibt: "Die SCHULE ist das Opfer des Unterrichts. Alle hacken auf der SCHULE herum, sind gegen sie, drängen sie an den Rand, stellen sie in die Ecke, schlagen sie, verhöhnen sie, bekämpfen sie, wollen sie vertreiben, ächten sie, und dergleichen mehr. SCHULE ist: + innehalten, + zu Besinnung kommen + zu sich selbst kommen + mit sich selbst wieder eins werden SCHULE ist: + die Erholung von Unterricht + freies, ungehindertes Lernen + souveräner Umgang mit den eigenen Kräften & Talenten und mehr dergleichen. Die alten Griechen, von denen wir dieses Wort übernommen haben, nahmen A-SCHOLIA in Kauf, um für SCHOLAE zu leben. Wir haben SCHOLAE bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt. Wir mobilisieren gegen SCHULE. Das Misshandlungsprinzip: den UNTERRICHT aber wollen sogar die Homeschooler machen. Gegen Schule sein und Unterricht immer weiter perfektionieren, das ist der höchste Grad an Perversion. Bei dem Stress, den man dadurch ständig hat, fällt gar niemand auf, dass man dabei ständig im alten Denkmodell gefangen bleibt - und darüber bestens weiter gesteuert werden kann. Ein Kern der Ich-kann-Schule-Idee war von Anfang an, zu zeigen, dass "Schulen mit Mehraufwand" keine wirklichen Schulen sind. Eine richtige Schule muss mit erheblich weniger Aufwand viel mehr und viel besser erreichen als das in unseren Unterrichtsvollzugsanstalten der Fall ist." (Beitrag in der FB-Gruppe Schule-gründen vom 5.9.15) Ich glaube, dass Franz Josef und ich dennoch in die gleiche Richtung gehen - und dass wir es aber auf verschiedenen Straßen tun. Das finde ich gut so, braucht es doch verschiedene Ansätze, verschiedene Wege, die dem gleichen Ziel folgen.
Auch ich bin der Überzeugung, dass "Schule", wenn wir sie von ihrer Wortbedeutung her Ernst nehmen, genau das bieten müsste, was Bildungshungrige und Wissbegierige brauchen. Dennoch ist der institutionelle Unterricht in einer "Schule" deswegen ein Problem, weil er keine Rücksicht auf die Einzelnen nimmt. Hier kommen nicht Menschen an einem Ort zusammen, die sich frei dazu entschieden haben dort gemeinsam genau das zu erfahren, was sie aufgrund ihres Interesses gerade erfahren wollen. Hier müssen Wissende und viel öfter auch Unwissende einem lebesnfernem Curriculum folgen Leistungsnachweise erbringen und Prüfungen absolvieren, um sich für den Arbeitsmarkt zu qualifizieren. Ein "Frei-sich-Bilden" hat eine andere Dynamik. Diese geht vom freien Subjekt aus, das sich nicht zum Objekt machen lässt. Diese braucht die "Schule" nicht als Institution, diese braucht viele Menschen, die wissen wollen, solche, die ihr Wissen an jene weitergeben wollen und Bildungs-Räume, in denen das stattfinden kann. Daran arbeite ich. Wichtig aber ist im Kampf für eine andere Form von "Schule", sich nicht auseinander dividieren zu lassen. Denn das Unterrichts-"Imperium" lebt davon, dass es die zersplittert und vereinzelt, die für Alternativen kämpfen. Meine Gedanken zum Schulbeginn
Von A. A. Milne gibt es das wunderbare Buch Winnie-the-Pooh, das vor knapp 90 Jahren zum ersten Mal erschienen ist. Es ist in seinem Original sprachlich und inhaltlich von der vom Disney-Konzern verhunzten filmischen Umsetzung (natürlich als „kindgerechter“ Zeichentrickfilm) meilenweit entfernt – und eine deutsche Lektüre lohnt sich in der Übersetzung den genialen Harry Rohwolt. Den in der Überschrift zitierten Titel des 7. Kapitels im 2.Teil übersetzt er „…in dem Tigger gestüm gemacht wird“. Im Gegensatz zu seiner ungestümen Art soll Tigger also auf Betreiben von Rabbit eine Lektion erteilt werden („It’s time we taught him a lesson!“), um endlich gestüm, also angepasst zu sein. Wer denkt da nicht an die Schule, in der die Stunden genau jene Ziele verfolgen: „…to get the bounces out of tigger“, „There’s too much of him” – er muss klein gemacht werden, dass „he’ll be a different Tigger altogether … he’ll be a humble, sad, melancholic, small and sorry Tigger, an Oh-Rabbit-I-am-glad-to-see-you Tigger”. Setz’ jetzt statt Rabbit einfach Schule ein – und nimm dich selbst oder einen jener jungen Menschen, den du im Leben begleitest. Kommt dir das bekannt vor? Als Pooh und Ferkel, denen Rabbit seinen Plan offenbart, Bedenken haben, antwortet dieser: “Tiggers never go being sad, they get over it with Astonishing Rapidity.” Kennen wir doch auch – oder? Und: “If we can make Tigger feel small and sad just for five minutes, we shall have done a good deed.” Dieser Aufgabe hat sich das Schulsystem seit jeher verschrieben. Der Plan ist also folgender: Tigger soll verloren gehen im nebeligen Hundert-Morgen-Wald. Und nun wendet sich die Geschichte zu einer hoffnungsfrohen und stärkenden Erzählung: Tigger wird zwar von den „Freunden“ unter Führung von Rabbit im Stich gelassen, nachdem er einige Zeit auf sie gewartet hat, geht er geradewegs nachhause. Rabbit und die beiden anderen aber irren hilflos im Wald herum, obwohl alle meinen, dass sie sich auf dem richtigen Weg befänden. Tigger macht sich schließlich auf die Suche nach Rabbit und findet ihn small and sorry, während er friendly, great, large, helpful and bouncing in a beautiful way ist. “Oh Tigger I am glad to see you, cried Rabbit” am Ende. Und die Moral von der Geschicht? Für mich ist einer, der seinen eigenen Weg ohne Schulsystem geht, der weisere. Bertrand Stern hat mir in unserem Gespräch für Radio Orange gesagt, dass jeneR, die/der sich auf’s Schulsystem eingelassen hat, unweigerlich verloren ist. Verirrt im Nebel, sagt die Geschichte. Also gilt es so früh wie möglich, am besten gleich von Anfang an, andere Wege zu suchen. Gehen wir gemeinsam Schritt für Schritt und finden wir das, was uns Bildung wirklich erfahren lässt und was uns und die jungen Menschen in unserer Begleitung wachsen, werden und vor allem sein lässt. Damit "verändern" wir das Schulsystem nachhaltiger und "endgültiger" als mit dem Herumdoktern von innen. |
Michael Karjalainen-Dräger
diplomierter Pädagoge und Bachelor of Education war 10 Jahre im öffentlichen Schulwesen in Wien als Lehrer tätig, danach 3 Jahre lang Leiter einer von ihm gegründeten "freien" Schule in Niederösterreich. Seit 2013 trainiert er Menschen, die jungen Menschen freie Bildungs-Räume öffnen wollen. Kategorien
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March 2020
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