"No problem can be solved from the same level of consciousness that created it." (Albert Einstein) Es ist eine traurige Tatsache, dass Menschen, die mit diesem Schulsystem groß geworden sind, kaum in der Lage sind, es reflektiert zu betrachten bzw. es als ganzes in Frage zu stellen. Es ist vielmehr eine logische Konsequenz des Schulbesuchs, dass Menschen genauso denken. Diese Institution, die wir verkehrterweise Schule (vom griech. scholé – Muße) nennen, lässt uns genau mit diesem Blick auf die Welt zurück, dass sie unersetzbar wäre und notwendig, um die Freiheit und Gleichheit des Menschen zu garantieren. Sie vermittelt den Heranwachsenden, dass die Welt nun mal so ist wie sie ist, die beste aller Welten halt, obwohl es jede Menge „unlösbare“ Probleme gibt. Das ist eine sehr dogmatische Sichtweise, da alles als gottgegeben bzw. systemimmanent dargestellt wird. Und mit genau der Sichtweise gehen die Beschulten dann an die Welt heran und die herrschenden Zustände werden als alternativlos empfunden. Bertrand Stern formuliert dieses Phänomen etwa so: Wer einmal beschult wurde ist an die Institution Schule verloren.
Die Geschichte kennt aber auch Menschen, die sich dieser Beschulung widersetzt haben. Diese wurden gerade als Schulversager zu historischen Größen wie etwa Albert Einstein. Es braucht also dringend Menschen, die out of the box, oder wie es Albert Einstein formuliert, von einer anderen Bewusstseinsebene aus auf Probleme schauen. Nur dadurch werden Lösungen und Entwicklungen aus Verstrickungen und Abhängigkeiten überhaupt erst möglich. Auch ich war bis vor wenigen Monaten ein Verfechter von umfassenden Reformen der Institution Schule, in der großen Hoffnung, dass damit alles besser werden würde. Dann habe ich durch erhellende Gespräche und tiefergehende Recherchen erkannt, dass das System und die Institution dadurch nicht veränderbar sind. Jede Reform bringt vielmehr noch mehr vom gleichen. Oder wie bewerten Sie die bisherigen Ergebnisse der Bildungsreform, die in Österreich am 17.11.2015 in Kraft treten soll? Eben … Daher braucht es mehr als diese nächste Reform, es braucht einen tiefgreifenden Wandel. Dieser wird von jenen angestoßen, die über das bestehende System hinaus denken, die Visionen, vielmehr Utopien entwickeln, die für einen Beschulten ver-rückt klingen und die gesellschaftlich im Moment absolut nicht akzeptabel sind. Das ist gut so. Das Neue war immer eine lange Zeit hin unvorstellbar, denken wir etwa ans Fliegen oder an die Frauenrechte. Um sich damit noch nicht auseinandersetzen zu müssen kommen dann so Argumente wie:
Tatsache aber ist es, dass genau dieses Denken uns von der Institution Schule eingeimpft wurde. Deren Strukturen fußen ja auf miltiärischem Drill und monastischer Stundenglocke. Und genau sie bringen diese ungerechten Verhältnisse hervor, die einerseits zu „Sklaverei“ und Abhängigkeit von einer ungeliebten Erwerbsarbeit führen und andererseits zu brutalen Ausbruchsnotwendigkeiten aus dieser asozialen Ordnung, wie es eben Terror und Vertreibung darstellen. Die kritische Masse, die einen diesbezüglichen Quantensprung auslösen könnte, ist noch nicht erreicht. Aber ich treffe nun fast täglich Menschen, die sich diesbezüglich in Bewegung gesetzt haben. Damit ist es nur noch eine Frage der Zeit ist bis der Bildungswandel einsetzt.
18 Comments
Die Schule hat uns wieder - also erst einmal den Osten Österreichs, der Süden und Westen folgen in einer Woche. Sie beginnt aber sehr sanft, man startet als SchülerIn für 1-2 Schulstunden, oft erst um 9 Uhr. Als LehrerIn kommt es ein bisschen dicker, wird doch der erste Schultag oft gleich für die Jahres-Anfangs-Konferenz genützt. Und die kann dauern. Das wird auch als Grund angegeben, wenn man fragt, warum der erste Schultag so kurz ist. Für mich gibt's aber auch noch einen anderen Grund: Das, was junge Menschen so im Lauf eines Jahres - und in Summe dann in zumindest 9 Jahren - lernen sollen, kann man bei guter Begleitung innerhalb weniger Wochen "zu sich nehmen". Wenn wir uns ehrlich sind, dann weiß das jeder Beteiligte. Der Großteil der Zeit geht damit auf, junge Menschen dazu zu bringen, dem, was gerade im Lehrplan und damit am Unterrichtsplan steht, aufmerksam zu folgen. Diese versuchte Motivation von außen (auch extrinsische Motivation genannt) ist nicht nur zeitaufwändig, sie ist im Großen und Ganzen sinnlos. Solange Heranwachsende dazu gezwungen werden, ihre Fragen erst dann zu stellen, wenn es das Curriculum vorsieht und sich mit Fachgebieten und Inhalten zu beschäftigen, die - wenn überhaupt - nur für eine Prüfung gelernt werden, weil sie nichts mit den Interessen des Wissen-Wollenden zu tun haben, ja solange wird eine Schule wie diese nicht funktionieren. Wenn wir aber endlich die wahre Motivation der Neugierigen und Wissbegierigen (also deren intrinsische Motivation) Ernst nehmen würden, dann hätten wir lauter hochgebildete Menschen, die das machen, was sie am besten können, weil es ihren Fähigkeiten, Interessen, ja ihrem Lebens-Sinn entspricht. Wer braucht in dem noch geprüft werden, was seines ist? Und um eine Kritik gleich vorweg zu nehmen: Die sogenannten Kulturtechniken Schreiben, Lesen und Rechnen kann man auf dem gleichen Weg - also auch ohne in ihnen unterrichtet worden zu sein - lernen. Beobachten Sie mal ihre ganz jungen Menschen (auch schon mit 3 und 4 Jahren) wie die sich für die Buchstaben, die Zahlen und die Bücher interessieren, wenn sie Teil ihres Lebensalltags sind. Franz Josef Neffe, Pädagoge und Gründer der Ich-Kann-Schule, hat meine Blog-Beiträge und die Idee des "Nie-mehr-Schule" kritisch kommentiert, weil er der Ansicht ist, dass nicht die Schule schlecht ist sondern der Unterricht. Er schreibt: "Die SCHULE ist das Opfer des Unterrichts. Alle hacken auf der SCHULE herum, sind gegen sie, drängen sie an den Rand, stellen sie in die Ecke, schlagen sie, verhöhnen sie, bekämpfen sie, wollen sie vertreiben, ächten sie, und dergleichen mehr. SCHULE ist: + innehalten, + zu Besinnung kommen + zu sich selbst kommen + mit sich selbst wieder eins werden SCHULE ist: + die Erholung von Unterricht + freies, ungehindertes Lernen + souveräner Umgang mit den eigenen Kräften & Talenten und mehr dergleichen. Die alten Griechen, von denen wir dieses Wort übernommen haben, nahmen A-SCHOLIA in Kauf, um für SCHOLAE zu leben. Wir haben SCHOLAE bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt. Wir mobilisieren gegen SCHULE. Das Misshandlungsprinzip: den UNTERRICHT aber wollen sogar die Homeschooler machen. Gegen Schule sein und Unterricht immer weiter perfektionieren, das ist der höchste Grad an Perversion. Bei dem Stress, den man dadurch ständig hat, fällt gar niemand auf, dass man dabei ständig im alten Denkmodell gefangen bleibt - und darüber bestens weiter gesteuert werden kann. Ein Kern der Ich-kann-Schule-Idee war von Anfang an, zu zeigen, dass "Schulen mit Mehraufwand" keine wirklichen Schulen sind. Eine richtige Schule muss mit erheblich weniger Aufwand viel mehr und viel besser erreichen als das in unseren Unterrichtsvollzugsanstalten der Fall ist." (Beitrag in der FB-Gruppe Schule-gründen vom 5.9.15) Ich glaube, dass Franz Josef und ich dennoch in die gleiche Richtung gehen - und dass wir es aber auf verschiedenen Straßen tun. Das finde ich gut so, braucht es doch verschiedene Ansätze, verschiedene Wege, die dem gleichen Ziel folgen.
Auch ich bin der Überzeugung, dass "Schule", wenn wir sie von ihrer Wortbedeutung her Ernst nehmen, genau das bieten müsste, was Bildungshungrige und Wissbegierige brauchen. Dennoch ist der institutionelle Unterricht in einer "Schule" deswegen ein Problem, weil er keine Rücksicht auf die Einzelnen nimmt. Hier kommen nicht Menschen an einem Ort zusammen, die sich frei dazu entschieden haben dort gemeinsam genau das zu erfahren, was sie aufgrund ihres Interesses gerade erfahren wollen. Hier müssen Wissende und viel öfter auch Unwissende einem lebesnfernem Curriculum folgen Leistungsnachweise erbringen und Prüfungen absolvieren, um sich für den Arbeitsmarkt zu qualifizieren. Ein "Frei-sich-Bilden" hat eine andere Dynamik. Diese geht vom freien Subjekt aus, das sich nicht zum Objekt machen lässt. Diese braucht die "Schule" nicht als Institution, diese braucht viele Menschen, die wissen wollen, solche, die ihr Wissen an jene weitergeben wollen und Bildungs-Räume, in denen das stattfinden kann. Daran arbeite ich. Wichtig aber ist im Kampf für eine andere Form von "Schule", sich nicht auseinander dividieren zu lassen. Denn das Unterrichts-"Imperium" lebt davon, dass es die zersplittert und vereinzelt, die für Alternativen kämpfen. |
Michael Karjalainen-Dräger
diplomierter Pädagoge und Bachelor of Education war 10 Jahre im öffentlichen Schulwesen in Wien als Lehrer tätig, danach 3 Jahre lang Leiter einer von ihm gegründeten "freien" Schule in Niederösterreich. Seit 2013 trainiert er Menschen, die jungen Menschen freie Bildungs-Räume öffnen wollen. Kategorien
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March 2020
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