Am gestrigen Mittwoch, 16.9. moderierte ich in meiner Sendereihe "Nie mehr Schule" auf Radio Orange eine Studiosikussion mit VertreterInnen von 6 wahlwerbenden Parteien (SPÖ, FPÖ, Grüne, ÖVP, NEOS und Wien Anders) für die Wien-Wahl 2015 zu den Themen Schule und Bildung.
Im dritten Themenblock ging es um "Bildung ohne Schule". Für die anwesenden PolitikerInnen war - trotz unterschiedlicher Auffassung zu den Begriffen "Bildung" und "Ausbildung" - eine (Aus-)Bildungswelt ohne Schule NICHT vorstellbar, für die nachher analysierenden Gäste (einen Vater, einen Schüler und eine Lehrerin) aber durchaus. Für mich lassen sich daraus folgende Schlüsse ziehen: 1.) Es gibt eine Diskrepanz zwischen den Ansichten von PolitikerInnen, die die gesetzliche Grundlagen des (Aus-)Bildungssystems schaffen und jenen, die direkt davon betroffen sind. 2.) Der Schule wird von den PolitikerInnen unisono insofern Notwendigkeit attestiert, als sie dazu dient, die Ausbildung für den Arbeitsmarkt zu ermöglichen. 3.) Bildung hingegen beginnt für diese von der Geburt an - und wird dann durch elementarpädagogische, schulische und universitäre Ausbildung ergänzt. 4.) Für Menschen, die einen anderen als den schulischen Bildungsweg einschlagen wollen, bietet sich bloß der häusliche Unterricht. Der ist aber an den erfolgreichen Abschluss einer jährlich stattfindenden Externistenprüfung gekoppelt. Verläuft diese negativ muss die/der SchülerIn das Schuljahr in einer öffentlichen Schule wiederholen. Wird die Externistenprüfung nicht durchgeführt, werden die Erziehungsberechtigten mit Sorgerechtsentzug bedroht, obwohl selbst das Jugendamt dies nicht als Kindeswohlgefährdung sieht. 5.) In den Köpfen der Verantwortlichen ist "Schule" derzeit offenbar (noch) in Stein gemeißelt, da sie u.a. die "Vererbung von Bildung" ausgleicht und "fit für die Gesellschaft" macht. 6.) Für die eklatanten Schwachstellen des bestehenden Unterrichts-Systems werden Korrekturen und Reformen gefordert, so soll dafür auch mehr Geld locker gemacht werden, um einer individuellen und differenzierten Förderung junger Menschen gerecht zu werden. Aus meiner Sicht ist das Herumdoktern am bestehenden System, wie es etwa auch die Reformen der Hauptschule zur KMS (Kooperative Mittelschule) bzw. NMS (Neue Mittelschule) und WMS (Wiener Mittelschule) und die Diskussion um Ganztags- sowie Gesamtschule zeigen, verlorene Liebesmüh'. Auch das Ausweichen auf "Alternativschulen" führt dort an die Grenzen, wo die Finanzierung des Schulplatzes zur Gänze von den Familien zu tragen ist, wie das bei allen freien Schulen der Fall ist, die nicht von einer der anerkannten Religionsgemeinschaften (etwa der kath. Kirch oder Jehovas Zeugen) erhalten werden (Anm.: diese erhalten die LehrerInnenkosten vom Staat ersetzt, was ca. 75-80% des Schulbudgets ausmacht). Es braucht also nicht noch eine weitere Reform, sondern eine Bildungs-(R)Evolution. Diese kann aber - wie alle (R)Evolutionen nicht von oben gemacht werden, sondern nur durch die Betroffenen selbst. Und deren Unzufriedenheit und Unruhe steigt von Jahr zu Jahr. Bleibt nur die Frage offen: Warum hat sich diese steigende Menge von Menschen noch nicht aktiv und gemeinsam in Bewegung gesetzt? Es fehlt sicher einerseits die Initialzündung und offenbar auch noch die kritische Masse. Mit dem "Nie-mehr-Schule"-Aktionstag am kommenden Montag, 21.9.15 möchte ich einen weiteren Impuls zu dieser Bildungs-(R)Evolution geben, denn die Bildung der Zukunft wird eine ohne (Schul-)Unterricht sein - oder Bildung wird nicht mehr sein.
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Michael Karjalainen-Dräger
diplomierter Pädagoge und Bachelor of Education war 10 Jahre im öffentlichen Schulwesen in Wien als Lehrer tätig, danach 3 Jahre lang Leiter einer von ihm gegründeten "freien" Schule in Niederösterreich. Seit 2013 trainiert er Menschen, die jungen Menschen freie Bildungs-Räume öffnen wollen. Kategorien
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March 2020
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