Das am vergangenen Dienstag von Bildungsministerin Heinisch-Hosek und Wissenschaftsstaatssekretär Mahrer „abgeklatschte“ Bildungs-Reform-Papier bietet für Bildungsinteressierte keinen Grund zur Freude.
Symptomatisch für mich war die Antwort Mahrers auf meine Frage, ob es denn aus seiner Sicht wirklich genüge, die Schule zu digitalisieren, um die jungen Menschen fit für eine Zukunft nach einer zehnjährigen Beschulung zu machen. Er verstieg sich zu den Worten, dass er diese Reform cool, nein fast geil finde (eine Aussage, die auch Schlagzeilen in der ZIB 2 vom 17.11.15 machte) um dann über die Wichtigkeit der Einbeziehung des Kindergartens in die Veränderungen der Bildungslandschaft in Österreich zu reden und den Stehsatz zu gebrauchen, dass es natürlich mehr brauche. Heiße Luft also. Diesen Eindruck wurde ich auch nicht los, als all die anderen Maßnahmen präsentiert wurden, die ich in meinem Beitrag für N21 zusammengefasst habe. Für mich persönlich hat sich einmal mehr die Erkenntnis bestätigt, dass Reformen immer bloß zu einer Verengung und damit Verschlimmerung des Systems führen, das System wird quasi noch mehr System. Aber das hat der Begriff Reform ja so an sich, der besagt, dass etwas „wieder in Form gebracht“ wird, eine Form, die seit Anbeginn besteht. Reformen können per se nie über diese Form hinausweisen. Hier also meine kurze Analyse der Reform, um mich dann wichtigerem zu widmen, nämlich dem not-wendigen Wandel unserer Bildungslandschaft. Die von mir angesprochene Verengung und damit Verschlimmerung des Systems lässt sich wirklich an allem festmachen, was da vorgetragen wurde, ich nehme einige symptomatische Punkte heraus:
Genug der Gedankenverschwendung an ein sterbendes System, das sich durch diese wohl allerletzte Reform noch das eine oder andere Jährchen am Leben halten möchte, aber letztlich zum Sterben verdammt ist. Worum es wirklich geht, ist der Blick in die Zukunft. Ab sofort müssen Bildungsbewegte Schritte einleiten, die junge Menschen fitt fürs Leben und ebendiese Zukunft zu machen. Wandel beginnt immer von unten nach oben, der Wandel von Zwangssystemen natürlich erst recht. In meiner Sendung auf Radio Orange am 18.11. haben meine Studiogäste beredet, wie das gehen könnte. Zwei Schlagworte aus dieser Diskussion scheinen mir im Zusammenhang mit einem wirklichen Wandel ganz wesentlich:
Bestens dafür eignet sich die von mir in diesem Blog schon mehrfach angesprochene Möglichkeit eines „Frei-Sich-Bildens“ mit Unterstützung von BildungswegbegleiterInnen und MentorInnen in von der öffentlichen Hand finanzierten und organisierten Bildungs-Räumen auf der Basis der Gedanken von Ivan Illich und Bertrand Stern. Diese nachfrageorientierte Form der Bildung führt in völlig neue Dimensionen, die den ganzen Menschen als Subjekt wahr- und ernstnimmt und ihm so sein je individuelles Sein zugesteht. Menschen, die sich auf diese Weise bilden, werden um Ihren Beitrag in der Gemeinschaft der Menschheit wissen und eine völlige neue Lebensweise mit Zukunft auf unserem Planeten Erde etablieren. Um diese Utopie Realität werden zu lassen, brauchen wir (junge) Menschen, die schon jetzt die Strukturen der Zwangsbeschulung mit ihren „Totes-Wissen-Prüfungen“ hinter sich lassen und sich auf ganz persönliche Bildungswege begeben. Sie brauchen Räume und Begleitung, die es umgehend zu schaffen gilt. Der für 2016 geplante „Nie-mehr-Schule“-Aktionstag wird dieses Thema tiefgreifend und auf vielen Ebenen behandeln. Ich lade alle Bildungsbewegten schon jetzt ein, Aktionäre dieser Idee zu werden und sich an vielen Orten, auf vielen Straßen aber doch gemeinsam auf den Weg zu machen, um die Zukunft der Bildung schon in unserer Gegenwart zu realisieren.
1 Comment
Es ist wirklich höchste Zeit, dass wir dem allgemeinen Leiden an der Institution Schule und ihrem erfolglosen aber nicht folgenlosen Unterrichten ein Ende bereiten.
In einem Beitrag mit dem Titel "Gerhard Riegler: SchulabbrecherInnen" auf QUINtessenzen, dem Blog von Ekkehard Quin, Vorsitzender der AHS-Lehrergewerkschaft, verweist der Autor auf Studien in England, Australien, den USA und der Schweiz. Aus diesen ginge hervor, dass in etwa die Hälfte aller Lehrenden der pädgaogischen Profession den Rücken kehren wollen. Es wird die Frage gestellt, ob "Österreichs 'BildungsexpertInnen' " glauben, "dass die LehrerInnen hierzulande mit unbegrenzter Geduld und Leidensfähigkeit ausgestattet sind?" Als Lösung wird vorgeschlagen, "endlich denen Gehör und Aufmerksamkeit" zu "schenken, die als PädagogInnen für ihre SchülerInnen beruflich ihr Bestes geben, an den Rahmenbedingungen aber immer öfter verzweifeln." Schließlich wird von "Österreichs Politik ... Professionalität statt Arroganz" gefordert, "damit nicht auch unter Österreichs LehrerInnen der Anteil derer explodiert, die ihre Profession an den Nagel hängen, um vorzeitig aus dem Schulwesen zu scheiden." Ich bin der festen Überzeugung, dass auch den LehrerInnen geholfen werden kann, wenn auch nicht auf die in Quin's Blog geforderte Weise. Die Institution Schule wird auch am 17.11.2015 - nach der derzeit noch für diesen Tag groß angekündigten nächsten Reform des Bildungswesens - nicht in seinen Grundfesten erschüttert und damit nachhaltig gewandelt werden. Es wird vielmehr durch diesen nächsten von gefühlten tausenden kleineren oder größeren Versuchen in seiner Grundstruktur weiter gestärkt werden. Und das ist schade, weil es allen Beteiligten schadet, auch den PolitikerInnen, die diese Veränderungen anleiern. Zurück zu meinem Vorschlag, der auch die LehrerInnen entlasten wird. so dass sie sich auf ihre eigentlichen Aufgaben konzentrieren können: Schaffen wir die Schule als Institution endlich ab! Geben wir den (jungen) Menschen in diesem Land das Recht frei sich zu bilden. Schaffen wir Bildungs-Räume, in denen die Fragen der Wissbegierigen und Bildungshungrigen von den Wissenden UND Erfahrenen sofort beantwortet werden und auf diese Weise eine wahrhaft gebildete Gesellschaft entsteht. Die "LehrerInnen" der Zukunft sind dann entweder BildungsWeg-BegeleiterInnen, MentorInnen oder reihen sich bei denen ein, die nicht nur aus Büchern und Schule sondern aus Erfahrung "wissen" und dieses Know-How auch authentisch und überzeugend weitergeben können. Um es mit Gerda Reissner, einer Lehrerin in einer Brennpunktschule in Wien, sinngemäß zu sagen, die in meiner Sendung "Nie-mehr-Schule" anlässlich des Aktionstages am 21.9.15 in einer Studiodiskussion mit Bertrand Stern und anderen zu Gast war: Das wäre toll, wenn ich das an die jungen Menschen weitergeben könnte, was mir wirklich liegt - und nur die dabei wären, die daran interessiert sind. Ja, so wäre das, wenn wir die Institution Schule durch die von Ivan Iliich und Bertrand Stern propagierten Landschaften der freien Bildung ersetzten! Worauf warten? Setzen wir dem Leiden aller doch endlich ein Ende ... Als ich in meinem letzten Blogbeitrag vom vergangenen Montag Einstein als Schulversager darstellte, wurde ich prompt eines besseren belehrt.
Gut so! Ich lerne (mittlerweile) gerne! Und das, obwohl ich nach der Matura nie wieder eine "Bildungseinrichtung" betreten wollte und Lernen für mich auf Schule reduziert war. Nie mehr Schule - nie mehr lernen! So stürzte ich mich damals gleich mal in eine Karriere als Banker, die mich knappe 10 Jahre später in einem Burnout zurückließ. Das hieß damals übrigens noch ziemlich sperrig und "Alt-Deutsch" Vegetatives Erschöpfungssysndrom. Also musste ich mich mit Anfang Dreißig auf die Suche nach meinem eigentlichen Wesen begeben. Auch das war gut so. Besser später als zu spät. Nun, knappe zwei Jahrzehnte danach, bin ich einer, der seinen Bildungsweg sehr individuell und an den Fragen orientiert, die sich mir immer wieder (neu) stellen, Schritt für Schritt geht. Auch bin ich zum Bewusstsein gelangt, dass ich mit meinem schlechten "Schulgefühl" recht hatte. Die Institution Schule bietet keine Orte einer nachfrageorientierten Bildung, die dem Wesen des Wissbegierigen entspricht. Sie bietet ja auch höchst selten wahrhaft Wissende, die nicht nur über etwas reden, das sie aus Büchern oder in verschulten Bildungsinstitutionen erworben haben, sondern durch eigene Erfahrung UND Bildung. Zurück zu Einstein. Einstein war also - auch meiner neuesten Recherche nach - kein Schulversager. Danke, dass diese Legende nun endlich geklärt ist. Aber - und auch das konnte ich durch meine Recherche herausfinden - er war ein schulkritischer Mensch. Einer, der die Institution und ihre Praktiken anprangerte. Einer, der das Pauken und den eingeforderten blinden Gehorsam nicht akzeptieren wollte. Einer, der mit schulkritischen Bemerkungen auch in den Jahren nach der Schule seine Einstellung kundtat. Und insofern ist er für mich zum noch gewichtigeren Zeugen dafür geworden, dass die "Schule" und ihr Unterricht von gestern sind. Einem Schulversager könnte man leicht vorwerfen, dass er die Schule deswegen schlecht macht, weil er nicht damit zu recht gekommen ist. Einem erfolgreichen Schüler aber wird man diesen Vorwurf nicht so ohne weiters machen können. Und so möchte ich meinen Beitrag mit einem Einstein zugeschriebenen Zitat beschließen: "Weisheit ist nicht das Ergebnis der Schulbildung, sondern des lebenslangen Versuchs, sie zu erwerben." Machen wir uns also auf den Weg zur Weisheit - und legen wir die Fesseln des gegenwärtigen Schulunterrichts ab, um endlich frei uns zu bilden! |
Michael Karjalainen-Dräger
diplomierter Pädagoge und Bachelor of Education war 10 Jahre im öffentlichen Schulwesen in Wien als Lehrer tätig, danach 3 Jahre lang Leiter einer von ihm gegründeten "freien" Schule in Niederösterreich. Seit 2013 trainiert er Menschen, die jungen Menschen freie Bildungs-Räume öffnen wollen. Kategorien
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March 2020
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