Gerade sind meine Frau und ich eingetaucht in die Geschichten der Familien Kupfer und Hausmann, die in der Fernsehserie Weissensee als ProtagonistInnen für ein Leben in der DDR vor und nach dem Mauerfall stehen. Die einen, als erklärte AntifaschistInnen verbunden mit der sozialistischen Gründungsidee, die anderen als VertreterInnen eines immer totalitärer werdenden Systems, das seine eigene Philosophie zunehmend verrät. Da passiert neben all den politischen und kriminellen Handlungssträngen auch viel persönliches Drama, alles hervorragend dargestellt von einem grandiosen SchauspielerInnen-Ensemble, möchte ich an dieser Stelle nicht berichten. Es gilt sich selbst ein Bild zu machen.
Was mich aber zutiefst betroffen gemacht hat, ist die Tatsache, dass die im Film dargestellten Strukturen eines Staates jederzeit und überall vorkommen können, auch in den sogenannten Demokratien, die sowohl dem Faschismus als auch dem Kommunismus abgeschworen haben. Die DDR ist überall, vor allem in den Köpfen und Herzen der Menschen, die sich nach Recht und Ordnung sehnen.Immer geht das alles einher mit Kontrolle, dem Gefühl, alles im Griff haben zu müssen, der Feindschaft gegenüber allem, was kreativ und phantasievoll ist und daher nicht den Konventionen entspricht. Bertrand Stern, der freischaffende deutsche Philosoph und Sohn des pädagogischen Vordenkers Arno Stern, hat das Schulsystem (in Deutschland) mit dem politischen System in der DDR verglichen und die strukturelle Gewalt der „Beschulungsideologie“ kritisiert. Immerhin bereitet die Schule den Boden für die Gesellschaft der Zukunft und als solches ist es demnach – auch in Österreich - denkbar ungeeignet, Menschen hervorzubringen, die zu Großem fähig sind und die Herausforderungen der Zeit annehmen und bessere Lösungen entwickeln, als sie heute vorhanden sind. Dieser kleine Kontrolleur in den Köpfen so vieler Menschen, lässt deren Herzen schnell erkalten. Daher gilt es dem Wilden und Ungezähmten im Sein vor allem junger Menschen, einen guten Boden zu bereiten, denn dort liegt die Kraft der Veränderung der Welt fern von faschistischen oder kommunistischen Regimen. Die Anarchie, die darin steckt, wird viel zu oft gefürchtet, obwohl sie in ihrer Grundbedeutung vom griechischen an-archia, einer Verneinung von „archia“ (Herrschaft) stammt, was vielfach mit Herrschaftslosigkeit übersetzt wird. Ursprünglich wurden damit Menschen bezeichnet, die ohne Anführer lebten, Gruppen, in denen kein Alleinherrscher regierte sondern ein Miteinander herrschte. Mit Macchiavelli aber war – meiner Recherche nach - dann der Bedeutungswandel und die damit verbundene Abwertung des Begriffes eingeleitet. Auch jene, die aus der An-Archia einen neuen „-ismus“ kreierten, trugen einen großen Teil dazu bei, dass heute landläufig ein zu (be-)fürchtender Zustand damit verbunden wird, der die Gesellschaft, ja die ganze Welt ins Chaos stürzte. Die andere, lebensspendende Ordnung der An-Archia erkennt kaum eine/r. Nun, wenn ich entscheiden müsste und könnte, wo ich lieber leben würde, dann wählte ich freien Herzens die An-Archia in ihrer ursprünglichen Form. Ich traute Menschen auch diese positive Kraft zu, ich mutete ihnen dieses Miteinander ohne Führer zu, weil es zutiefst menschlich ist, verankert im Herzen und fähig den Kopf zu erreichen, um etwas Gutes daraus zu formen. Im Kleinen zuerst und dann im Großen. Nachsatz: Auch jene, die sich auf den Weg des Selbst-Sich-Bildens machen, tragen die An-Archia in ihren Herzen. Womit sich einmal mehr zeigt, wie wichtig die Ermöglichung individueller Bildungswege mit entsprechenden Beg-Leitung ist, um den zahlreichen „Ismen“ vorzubeugen. ein Beitrag von M.A. Karjalainen
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Michael Karjalainen-Dräger
diplomierter Pädagoge und Bachelor of Education war 10 Jahre im öffentlichen Schulwesen in Wien als Lehrer tätig, danach 3 Jahre lang Leiter einer von ihm gegründeten "freien" Schule in Niederösterreich. Seit 2013 trainiert er Menschen, die jungen Menschen freie Bildungs-Räume öffnen wollen. Kategorien
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March 2020
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