Diese Frage stellen die Organisatoren des 24-Stunden Bildungs-Hackathons, der von morgen Samstag, 26.9., 13 h bis Sonntag, 27.9., 13 h beim diesjährigen stEFFIE-Festival stattfindet, wenn man sich zum Event anmelden möchte.
Meine spontane Antwort: Wenn am Montag, 28.9.15 keiner mehr in die Schule oder auf die Uni geht und stattdessen auf die Straße, um für das Recht auf Bildung zu demonstrieren UND/ODER die Schulen sowie Unis und deren Angebot auf den Kopf gestellt werden, um Antworten auf die wirklich wichtigen Fragen abseits des Curriculums zu bekommen, dann, ja dann startet die Bildungsrevolution in Österreich! Und wie seht ihr das? Freue mich auf eine Fülle von Kommentaren!
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Heute morgen am Bahnhof Hütteldorf:
Eine Schulklasse von rund 15 etwa 13- oder 14-jährigen jungen Menschen wird von einer jungen Lehrerin (geschätzte Anfang 20) dazu aufgefordert eine Reihe zu bilden. Der "wilde Haufen" allerdings setzt sich nur mühsam in Bewegung um die gewünschte Form anzunehmen. Bei der Lehrerin wächst die Ungeduld im Sekundentakt, sie versucht die Jugendlichen zu "motivieren" ihre Anweisung endlich auszuführen. Dazu fallen unter anderem folgende Worte: "Das ist noch immer keine Reihe!" "Das kann dich bitte ned so schwer sein!" "Hey, wie alt seid's ihr eigentlich?" "Das kann doch bitte nicht wahr sein...!" Es ging sicher noch eine Weile weiter so, aber ich überließ die Truppe dann sich selbst und weiß daher nicht wie die Geschichte ausgegangen ist - und ob sie möglicherweise verbal eskaliert ist. Meiner Erfahrung und Einschätzung nach gab es irgendwann dann eine Einigung auf eine Mehr-oder-Weniger-Reihe und alle starteten angeführt von ihrer Lehrerin, der es dann ziemlich egal war, was sich ab da hinter ihrem Rücken abspielte. Wie oft war auch ich in ähnlichen Situationen als ich noch dem Schuldienst frönte. Wie oft habe ich mich wirklich grässlich unwohl gefühlt, weil ich da zwingen musste - junge Menschen und mich selbst. "Mit sanfter Gewalt", hat mir damals eine ältere Kollegin gesagt, "sonst geht gar nix". Heute bin ich ob dieser Worte aber vor allem wegen dieser - auch meiner - "gewaltvollen" Vorgangsweise sehr betroffen. Dabei könnten es sich alle Beteiligte um so vieles einfacher machen, sie müssten weder sich noch andere zu etwas zwingen, was diese in jenem Moment nicht wollen. Und auch die Frage, die ich mir immer wieder gestellt habe, nämlich "Warum hört mir denn niemand zu?", wäre obsolet. Wie das? Ganz einfach: Wir nehmen jeden Menschen als freies Subjekt wahr, nehmen dessen JA und dessen NEIN ernst, lassen auf diese Weise jeglichen Zwang hinter uns. Ganz einfach? Nun ja, ich gebe zu, dass dies eine völlige Veränderung unseres bisherigen Bewusstseins fordert. Aber es ist möglich! Wie viele Unmöglichkeiten und Undenkbarkeiten sind heute Realität? Wie war das mit den Frauen, die lange noch als Objekte im Besitz ihrer Ehemänner standen? Bis in die beginnenden Siebziger des 20. Jahrunderts mussten sie die Erlaubnis ihrer Männer einholen, wenn sie einen Pass beantragen oder arbeiten gehen wollten. Und das war nicht im fernen von uns wegen der Nichteinhaltung der Menschenrechte oft gescholtenen Orient, sondern hier in Österreich! Und heute? Na eben, ganz einfach! Es braucht sicher Zeit bis es alle begreifen, dass Schulunterricht in der heutigen Form keinen Vorteil bringt sondern nur Nachteile, weil er Zwang auslöst - bei allen Beteiligten (also LehrerInnen, SchülerInnen, Eltern und Behörden). Veränderungen dieser Dimension gehen immer von den Betroffenen selbst aus, in dem sie sich den herrschenden Regeln verweigern, den zivilen Ungehorsam pflegen und ihren eigenen Weg finden. Wer heute das NEIN seiner Tochter, seines Sohnes oder seiner SchülerIn respektiert, wird erstaunt sein, wie sich vor ihm plötzlich und ungeahnt wunderbare Landschaften einer freien Bildung auftun. Denn nur wer sich auf den Weg macht, wird neues entdecken. Nutzen wir den Schwung des 1. Nie-mehr-Schule-Aktionstages vom vergangenen Montag und breche jedeR an ihrer/seiner Stelle auf in eine frei-sich-bildende Gesellschaft. Niemand muss sich alleine fühlen, denn gerade eben entsteht das wunderbare Netzwerk freier Bildungs-Räume, das jedeR gerne jederzeit nutzen kann! Für meine Studio-Diskussion in meiner Sendung "Nie mehr Schule" auf Radio Orange am heutigen Montag war ich mehr als 2 Wochen lang auf der Suche nach einem Juristen, einer Juristin, die den (kinder-)rechtlichen Aspekt der Diskussion eines "Frei-sich-Bildens" ohne Schulzwang abdecken könnte.
Es war ein langer, "leidvoller" Weg von der Uni Wien über das Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte hin zu UNESCO, UNICEF und schließlich Kinder- und Jugendanwaltschaft der Stadt Wien. Letztlich kam keinE VertreterIn aus dieser Gruppe in die Sendung. Für die einen gab es Terminprobleme, die anderen sahen das Problem aufgrund des weltweit horrenden Analphabethismus als "Luxus" an und die eingeladene Kinderanwältin wurde am Sendungstag krank. Von ihrem Sekretariat bekam ich den Tipp, mich an die Leiterin des Schulpsychologischen Dienstes des Stadtschulrates für Wien zu wenden. Nachdem ich mehrmals verbunden wurde und eine weitere Sekretariatskraft mich an die Pressestelle des Stadtschulrates weiterleitete um eine Genehmigung für den öffentlichen Auftritt der genannten Person einzuholen, da ließ ich mein Ansinnen fallen. Waren wir halt nur zu viert: Bertrand Stern, eine Mutter, eine Lehrerin und eine SchülerInnen-Vertreterin. Erst nach diesem montäglichen Telefon-Marathon wurde mir bewusst, was sich da in den letzten Wochen abgespielt hatte. Da wollte es der Zufall, dass ich vom Staatsrechtler, über die Menschenrechtler zu den Kinderrechtlern und von dort direkt in der Schulpsychologie landete. Kafkaesk! Aber auch symptomatisch. Denn wie viele junge Menschen werden psychiatriert, medikalisiert oder sogar kriminalisiert, wenn sie NEIN zum Unterricht in der Schule sagen. Und wie viele Menschen, die dieses NEIN hören werden ebenfalls kriminalisiert und neben Verwaltungsstrafen für die Verletzung der Schulpflicht sogar mit Sorgerechtsentzug bedroht. So kann das und darf das nicht weitergehen. Diese Missachtung des Subjektstatus eines jeden Menschen - auch eines jungen -, der in der Deklaration der Menschenrechte und in der Kinderrechtskonvention als unantastbar festgehalten ist, ist das wahre Verbrechen. Und so geht es, bei all den täglichen juristischen Ärgernissen, denen man sich aussetzt, wenn man einen anderen Weg einschlägt, vor allem darum, dieses grundlegende Menschenrecht einzufordern - und wenn, es nicht respektiert wird, auch bei den entsprechenden Gerichten einzuklagen. Also: Let's do so! Let's go! Am gestrigen Mittwoch, 16.9. moderierte ich in meiner Sendereihe "Nie mehr Schule" auf Radio Orange eine Studiosikussion mit VertreterInnen von 6 wahlwerbenden Parteien (SPÖ, FPÖ, Grüne, ÖVP, NEOS und Wien Anders) für die Wien-Wahl 2015 zu den Themen Schule und Bildung.
Im dritten Themenblock ging es um "Bildung ohne Schule". Für die anwesenden PolitikerInnen war - trotz unterschiedlicher Auffassung zu den Begriffen "Bildung" und "Ausbildung" - eine (Aus-)Bildungswelt ohne Schule NICHT vorstellbar, für die nachher analysierenden Gäste (einen Vater, einen Schüler und eine Lehrerin) aber durchaus. Für mich lassen sich daraus folgende Schlüsse ziehen: 1.) Es gibt eine Diskrepanz zwischen den Ansichten von PolitikerInnen, die die gesetzliche Grundlagen des (Aus-)Bildungssystems schaffen und jenen, die direkt davon betroffen sind. 2.) Der Schule wird von den PolitikerInnen unisono insofern Notwendigkeit attestiert, als sie dazu dient, die Ausbildung für den Arbeitsmarkt zu ermöglichen. 3.) Bildung hingegen beginnt für diese von der Geburt an - und wird dann durch elementarpädagogische, schulische und universitäre Ausbildung ergänzt. 4.) Für Menschen, die einen anderen als den schulischen Bildungsweg einschlagen wollen, bietet sich bloß der häusliche Unterricht. Der ist aber an den erfolgreichen Abschluss einer jährlich stattfindenden Externistenprüfung gekoppelt. Verläuft diese negativ muss die/der SchülerIn das Schuljahr in einer öffentlichen Schule wiederholen. Wird die Externistenprüfung nicht durchgeführt, werden die Erziehungsberechtigten mit Sorgerechtsentzug bedroht, obwohl selbst das Jugendamt dies nicht als Kindeswohlgefährdung sieht. 5.) In den Köpfen der Verantwortlichen ist "Schule" derzeit offenbar (noch) in Stein gemeißelt, da sie u.a. die "Vererbung von Bildung" ausgleicht und "fit für die Gesellschaft" macht. 6.) Für die eklatanten Schwachstellen des bestehenden Unterrichts-Systems werden Korrekturen und Reformen gefordert, so soll dafür auch mehr Geld locker gemacht werden, um einer individuellen und differenzierten Förderung junger Menschen gerecht zu werden. Aus meiner Sicht ist das Herumdoktern am bestehenden System, wie es etwa auch die Reformen der Hauptschule zur KMS (Kooperative Mittelschule) bzw. NMS (Neue Mittelschule) und WMS (Wiener Mittelschule) und die Diskussion um Ganztags- sowie Gesamtschule zeigen, verlorene Liebesmüh'. Auch das Ausweichen auf "Alternativschulen" führt dort an die Grenzen, wo die Finanzierung des Schulplatzes zur Gänze von den Familien zu tragen ist, wie das bei allen freien Schulen der Fall ist, die nicht von einer der anerkannten Religionsgemeinschaften (etwa der kath. Kirch oder Jehovas Zeugen) erhalten werden (Anm.: diese erhalten die LehrerInnenkosten vom Staat ersetzt, was ca. 75-80% des Schulbudgets ausmacht). Es braucht also nicht noch eine weitere Reform, sondern eine Bildungs-(R)Evolution. Diese kann aber - wie alle (R)Evolutionen nicht von oben gemacht werden, sondern nur durch die Betroffenen selbst. Und deren Unzufriedenheit und Unruhe steigt von Jahr zu Jahr. Bleibt nur die Frage offen: Warum hat sich diese steigende Menge von Menschen noch nicht aktiv und gemeinsam in Bewegung gesetzt? Es fehlt sicher einerseits die Initialzündung und offenbar auch noch die kritische Masse. Mit dem "Nie-mehr-Schule"-Aktionstag am kommenden Montag, 21.9.15 möchte ich einen weiteren Impuls zu dieser Bildungs-(R)Evolution geben, denn die Bildung der Zukunft wird eine ohne (Schul-)Unterricht sein - oder Bildung wird nicht mehr sein. Seit geraumer Zeit ringe ich mit dem Begriff "Kindheit". Mit dem Begriff "Mädchen" geht mir das schon länger so, da die deutsche Grammatik junge Frauen zu Sachen macht. Bertrand Stern hat in seinem Sommergespräch mit mir auf Radio Orange die Begriffe Schule, Lernen und Kind reflektiert und kritisch betrachtet. Das hat mich wieder einmal nachdenklich gemacht.
Nun stehe ich bereits am Ende der ersten Schulwoche im Osten Österreichs (der Westen startet ja erst am kommenden Montag in den Alltag)wieder mitten im schon verdrängten "Kinder"-Wahn. Diese jungen Menschen werden von ihren Bezugspersonen - und damit auch von vielen LehrerInnen - als klein und unmündig angesehen. Dementsprechend fällt dann auch das Zusammenleben aus, in dem sie andauernd belehrt werden, wie sie was zu machen hätten. Dann darf man sich nicht wundern, wenn sie überhaupt keine Eigeninitiative mehr entwickeln und nur noch auf Anweisung funktionieren. Abgesehen davon ist das von Unterrichtenden oft kritisierte "Tratschen" jedenfalls auch immer der Versuch, sich das gerade "Durchgenommene" mit eigenen Worten anzueignen. In der Lerntypenforschung werden jene auch "verbaler Lerntyp" genannt. Junge Menschen als "Kinder" zu bezeichnen ist meiner Ansicht nach Fluch und Segen, wobei meiner Meinung nach die Nachteile eindeutig überwiegen. Einerseits bedeutet es Schutz für die Heranwachsenden, andererseits gesteht man ihnen damit - auch grammatisch - keinen Subjekt-Status zu. "Das" Kind wird auf dieser Weise auch zu einem von Erwachsenen abhängigen Objekt degradiert, für die die Erklärung der Menschenrechte nur eingeschränkt gilt. Als solche Einschränkung könnte man die Kinderrechtskonvention missverstehen. Aber: sie formuliert die Menschenrechte aus der spezifischen Perspektive von Kindern und ist so gesehen deren Vertiefung für den Umgang von Erwachsenen mit den Heranwachsenden. Das "best interest of the child" - ins Deutsche mit dem Begriff "Kindeswohl" übertragen - ist demnach vorrangig zu berücksichtigen. Auch hier kommt es zu vielen Missverständnissen - wie etwa Anzeigen des Stadtschulrates gegen Freilerner-Eltern bezeugen, die in der Verletzung der Schulpflicht eine Kindeswohlgefährdung erkennen, die übrigens auch durch kein Gesetz zu rechtfertigen ist - und schon gar nicht mit der angesprochenen Kinderrechtskonvention. Soweit allerdings muss man gar nicht gehen, wenn man den Alltag von jungen Menschen betrachtet. Denn auch das derzeit herrschende Bildungssystem zwingt sie in den Objekt-Status von Zwangsbeschulten, die zu klein oder zu unentwickelt, ja sogar unterentwickelt sind, um sich frei um ihre Bildung zu kümmern. Sicher brauchen sie unter anderem - wie wir alle von Zeit zu Zeit -Menschen die sie begleiten und ihnen die Möglichkeiten aufzeigen, wie sie ihre Neugier und ihren Wissensdurst stillen können. Dazu aber dient der Unterricht keineswegs. Hier werden sie systematisch für dumm verkauft - damit sie gute "Untertanen" werden. Oder wie es Reinhard Mey in seinem Lied "Sei wachsam" treffend formuliert: "Der Minister nimmt flüsternd den Bischof beim Arm: Halt du sie dumm, – ich halt’ sie arm!" Die Schule hat uns wieder - also erst einmal den Osten Österreichs, der Süden und Westen folgen in einer Woche. Sie beginnt aber sehr sanft, man startet als SchülerIn für 1-2 Schulstunden, oft erst um 9 Uhr. Als LehrerIn kommt es ein bisschen dicker, wird doch der erste Schultag oft gleich für die Jahres-Anfangs-Konferenz genützt. Und die kann dauern. Das wird auch als Grund angegeben, wenn man fragt, warum der erste Schultag so kurz ist. Für mich gibt's aber auch noch einen anderen Grund: Das, was junge Menschen so im Lauf eines Jahres - und in Summe dann in zumindest 9 Jahren - lernen sollen, kann man bei guter Begleitung innerhalb weniger Wochen "zu sich nehmen". Wenn wir uns ehrlich sind, dann weiß das jeder Beteiligte. Der Großteil der Zeit geht damit auf, junge Menschen dazu zu bringen, dem, was gerade im Lehrplan und damit am Unterrichtsplan steht, aufmerksam zu folgen. Diese versuchte Motivation von außen (auch extrinsische Motivation genannt) ist nicht nur zeitaufwändig, sie ist im Großen und Ganzen sinnlos. Solange Heranwachsende dazu gezwungen werden, ihre Fragen erst dann zu stellen, wenn es das Curriculum vorsieht und sich mit Fachgebieten und Inhalten zu beschäftigen, die - wenn überhaupt - nur für eine Prüfung gelernt werden, weil sie nichts mit den Interessen des Wissen-Wollenden zu tun haben, ja solange wird eine Schule wie diese nicht funktionieren. Wenn wir aber endlich die wahre Motivation der Neugierigen und Wissbegierigen (also deren intrinsische Motivation) Ernst nehmen würden, dann hätten wir lauter hochgebildete Menschen, die das machen, was sie am besten können, weil es ihren Fähigkeiten, Interessen, ja ihrem Lebens-Sinn entspricht. Wer braucht in dem noch geprüft werden, was seines ist? Und um eine Kritik gleich vorweg zu nehmen: Die sogenannten Kulturtechniken Schreiben, Lesen und Rechnen kann man auf dem gleichen Weg - also auch ohne in ihnen unterrichtet worden zu sein - lernen. Beobachten Sie mal ihre ganz jungen Menschen (auch schon mit 3 und 4 Jahren) wie die sich für die Buchstaben, die Zahlen und die Bücher interessieren, wenn sie Teil ihres Lebensalltags sind. Franz Josef Neffe, Pädagoge und Gründer der Ich-Kann-Schule, hat meine Blog-Beiträge und die Idee des "Nie-mehr-Schule" kritisch kommentiert, weil er der Ansicht ist, dass nicht die Schule schlecht ist sondern der Unterricht. Er schreibt: "Die SCHULE ist das Opfer des Unterrichts. Alle hacken auf der SCHULE herum, sind gegen sie, drängen sie an den Rand, stellen sie in die Ecke, schlagen sie, verhöhnen sie, bekämpfen sie, wollen sie vertreiben, ächten sie, und dergleichen mehr. SCHULE ist: + innehalten, + zu Besinnung kommen + zu sich selbst kommen + mit sich selbst wieder eins werden SCHULE ist: + die Erholung von Unterricht + freies, ungehindertes Lernen + souveräner Umgang mit den eigenen Kräften & Talenten und mehr dergleichen. Die alten Griechen, von denen wir dieses Wort übernommen haben, nahmen A-SCHOLIA in Kauf, um für SCHOLAE zu leben. Wir haben SCHOLAE bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt. Wir mobilisieren gegen SCHULE. Das Misshandlungsprinzip: den UNTERRICHT aber wollen sogar die Homeschooler machen. Gegen Schule sein und Unterricht immer weiter perfektionieren, das ist der höchste Grad an Perversion. Bei dem Stress, den man dadurch ständig hat, fällt gar niemand auf, dass man dabei ständig im alten Denkmodell gefangen bleibt - und darüber bestens weiter gesteuert werden kann. Ein Kern der Ich-kann-Schule-Idee war von Anfang an, zu zeigen, dass "Schulen mit Mehraufwand" keine wirklichen Schulen sind. Eine richtige Schule muss mit erheblich weniger Aufwand viel mehr und viel besser erreichen als das in unseren Unterrichtsvollzugsanstalten der Fall ist." (Beitrag in der FB-Gruppe Schule-gründen vom 5.9.15) Ich glaube, dass Franz Josef und ich dennoch in die gleiche Richtung gehen - und dass wir es aber auf verschiedenen Straßen tun. Das finde ich gut so, braucht es doch verschiedene Ansätze, verschiedene Wege, die dem gleichen Ziel folgen.
Auch ich bin der Überzeugung, dass "Schule", wenn wir sie von ihrer Wortbedeutung her Ernst nehmen, genau das bieten müsste, was Bildungshungrige und Wissbegierige brauchen. Dennoch ist der institutionelle Unterricht in einer "Schule" deswegen ein Problem, weil er keine Rücksicht auf die Einzelnen nimmt. Hier kommen nicht Menschen an einem Ort zusammen, die sich frei dazu entschieden haben dort gemeinsam genau das zu erfahren, was sie aufgrund ihres Interesses gerade erfahren wollen. Hier müssen Wissende und viel öfter auch Unwissende einem lebesnfernem Curriculum folgen Leistungsnachweise erbringen und Prüfungen absolvieren, um sich für den Arbeitsmarkt zu qualifizieren. Ein "Frei-sich-Bilden" hat eine andere Dynamik. Diese geht vom freien Subjekt aus, das sich nicht zum Objekt machen lässt. Diese braucht die "Schule" nicht als Institution, diese braucht viele Menschen, die wissen wollen, solche, die ihr Wissen an jene weitergeben wollen und Bildungs-Räume, in denen das stattfinden kann. Daran arbeite ich. Wichtig aber ist im Kampf für eine andere Form von "Schule", sich nicht auseinander dividieren zu lassen. Denn das Unterrichts-"Imperium" lebt davon, dass es die zersplittert und vereinzelt, die für Alternativen kämpfen. Meine Gedanken zum Schulbeginn
Von A. A. Milne gibt es das wunderbare Buch Winnie-the-Pooh, das vor knapp 90 Jahren zum ersten Mal erschienen ist. Es ist in seinem Original sprachlich und inhaltlich von der vom Disney-Konzern verhunzten filmischen Umsetzung (natürlich als „kindgerechter“ Zeichentrickfilm) meilenweit entfernt – und eine deutsche Lektüre lohnt sich in der Übersetzung den genialen Harry Rohwolt. Den in der Überschrift zitierten Titel des 7. Kapitels im 2.Teil übersetzt er „…in dem Tigger gestüm gemacht wird“. Im Gegensatz zu seiner ungestümen Art soll Tigger also auf Betreiben von Rabbit eine Lektion erteilt werden („It’s time we taught him a lesson!“), um endlich gestüm, also angepasst zu sein. Wer denkt da nicht an die Schule, in der die Stunden genau jene Ziele verfolgen: „…to get the bounces out of tigger“, „There’s too much of him” – er muss klein gemacht werden, dass „he’ll be a different Tigger altogether … he’ll be a humble, sad, melancholic, small and sorry Tigger, an Oh-Rabbit-I-am-glad-to-see-you Tigger”. Setz’ jetzt statt Rabbit einfach Schule ein – und nimm dich selbst oder einen jener jungen Menschen, den du im Leben begleitest. Kommt dir das bekannt vor? Als Pooh und Ferkel, denen Rabbit seinen Plan offenbart, Bedenken haben, antwortet dieser: “Tiggers never go being sad, they get over it with Astonishing Rapidity.” Kennen wir doch auch – oder? Und: “If we can make Tigger feel small and sad just for five minutes, we shall have done a good deed.” Dieser Aufgabe hat sich das Schulsystem seit jeher verschrieben. Der Plan ist also folgender: Tigger soll verloren gehen im nebeligen Hundert-Morgen-Wald. Und nun wendet sich die Geschichte zu einer hoffnungsfrohen und stärkenden Erzählung: Tigger wird zwar von den „Freunden“ unter Führung von Rabbit im Stich gelassen, nachdem er einige Zeit auf sie gewartet hat, geht er geradewegs nachhause. Rabbit und die beiden anderen aber irren hilflos im Wald herum, obwohl alle meinen, dass sie sich auf dem richtigen Weg befänden. Tigger macht sich schließlich auf die Suche nach Rabbit und findet ihn small and sorry, während er friendly, great, large, helpful and bouncing in a beautiful way ist. “Oh Tigger I am glad to see you, cried Rabbit” am Ende. Und die Moral von der Geschicht? Für mich ist einer, der seinen eigenen Weg ohne Schulsystem geht, der weisere. Bertrand Stern hat mir in unserem Gespräch für Radio Orange gesagt, dass jeneR, die/der sich auf’s Schulsystem eingelassen hat, unweigerlich verloren ist. Verirrt im Nebel, sagt die Geschichte. Also gilt es so früh wie möglich, am besten gleich von Anfang an, andere Wege zu suchen. Gehen wir gemeinsam Schritt für Schritt und finden wir das, was uns Bildung wirklich erfahren lässt und was uns und die jungen Menschen in unserer Begleitung wachsen, werden und vor allem sein lässt. Damit "verändern" wir das Schulsystem nachhaltiger und "endgültiger" als mit dem Herumdoktern von innen. Gott ist tot, postulierte Friedrich Nietzsche vor rund 130 Jahren. Was ihm oft als Wunsch ausgelegt wurde, war eine sehr genaue Analyse seiner Zeit. Für ihn waren seine Zeitgenossen die "Mörder aller Mörder".
Schule ist tot, rufe ich heute in die Welt. Das war nie mein Wunsch, denn als eingefleischter Pädagoge und Lehrer war Schule für mich die Institution, die Menschen und Gesellschaft "macht". Sie war für mich der Hort der Zukunft, die Basis aller Menschlichkeit und die Chance auf Weltverbesserung. In ihren Krisen galt es für mich, sie zu reformieren. Zuletzt hielt ich sie für nicht von innen her veränderbar, sondern nur von außen. Ich wollte Menschen bewegen, eigene "freie" Schulen so zu gestalten, dass die öffentliche Schule davon lernen und sich verändern müsse oder davor kapitulieren. Das Beispiel Hollands war da eine Option für mich. Dort werden alle Schulen, öffentliche und private, gleichermaßen gefördert, wenn sie den staatlichen Anforderungen genügen. Nun, ich habe mich getäuscht. Schule ist tot. Umgebracht von allen Beteiligten:
Schule ist also tot - mausetot. Aber was nun, was kommt danach? Eine ungebildete, raue Gesellschaft, die wieder in die Steinzeit zurückfällt? Haben wir doch schon - trotz Schule oder gerade deswegen! Also, was kommt danach? Meine Vision einer post-scholare Gesellschaft gründet auf den Gedanken von Ivan Illich's "Deschooling society" und Bertrand Stern's Ideen zu einem "Frei-sich-Bilden". In einer solchen entschulten und frei-sich-bildenden Gesellschaft hat jeder Mensch das Recht auf Bildung (ohne Schulzwang) und zwar ein Leben lang.
In der Übergangszeit bis zur Verwirklichung dieses derzeit utopisch wirkenden aber keineswegs unrealistischen Ziels möchte ich mit dieser Website und den von mir angebotenen Landschaften der freien Bildung auf wachsen-werden-sein.at schon jene zur Mitwirkung einladen, die genug haben von einer Schule, die haufenweise verschulte und ungebildete Menschen produziert, weil sie das Recht des Individuums nicht ernst nimmt, weil sie funktionierende und konsumierende Menschen machen will, weil sie Menschen für den Arbeitsmarkt herstellen muss, damit das von uns geschaffene System aufrecht erhalten wird. Aber: diese Schule ist tot. Auch wenn es erst wenige zu wissen scheinen. Und mit ihr auch dieses System, was uns ja seit5 Jahren täglich vor Augen geführt wird (durch die vielen "Krisen" wie etwa jene der Finanz, jene Griechenlands, jene der EU und der Demokratie, jene der Flucht vor Krieg und Armut, ...). Starten wir also jetzt gemeinsam in eine neue Zukunft, in der Menschen das Nötige wissen, um die Welt so zu gestalten, dass sie für alle lebenswert ist. Es leben die Landschaften der freien Bildung und mit ihr die vielen kleinen Menschen, die an vielen kleinen Orten, viele kleine Dinge tun, um das Angesicht der Welt zu ändern! |
Michael Karjalainen-Dräger
diplomierter Pädagoge und Bachelor of Education war 10 Jahre im öffentlichen Schulwesen in Wien als Lehrer tätig, danach 3 Jahre lang Leiter einer von ihm gegründeten "freien" Schule in Niederösterreich. Seit 2013 trainiert er Menschen, die jungen Menschen freie Bildungs-Räume öffnen wollen. Kategorien
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March 2020
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