Seit vielen Jahren begleite ich Menschen, die mit jungen Menschen im Leben unterwegs sind. Das sind vor allem Eltern und PädagogInnen aller Richtungen. Ich erlebe sehr oft Hilflosigkeit und Überforderung und gar nicht so selten Ohnmacht angesichts der Herausforderungen mit denen uns die Heranwachsenden konfrontieren. Mit diesen gilt es sich auseinanderzusetzen, denn sie ermöglichen uns das Wunder der Persönlichkeitsentwicklung.
Oft aber ist das Gegenteil der Fall. Da geht es ums Funktionieren in unmenschlichen Strukturen, die nicht selten gewaltvoll sind. Damit meine ich nicht körperliche Übergriffe wie die immer noch nicht aus dem erzieherischen Repertoire verschwundene „g'sunde Watsch'n“ sondern die Systeme, die wir aufgebaut haben, um die Welt in den Griff zu kriegen. Nennen möchte ich exemplarisch das System der Erwerbsarbeit und ihres Arbeitsmarktes, das Geld- und Wirtschaftssystem, das Gesundheitssystem und last but not least das Schulsystem. Ihnen allen wohnt die von mir gemeinte strukturelle Gewalt inne, weil sie Menschen scheinbar alternativlos in eine Richtung zwingt. Wer dem nicht folgt gilt nicht selten als Ver-rückter. Im positiven Sinn, der mit diesen Aussagen aber keineswegs gemeint ist, wären das jene, die nicht den Normen entsprechen wollen, die Querdenker also, die die Welt bewegen. Junge Menschen begegnen im Lauf ihres Seins mehr Menschen, die ihnen etwas vorspielen als solchen, die ihnen authentisch zeigen, was ihr Leben ausmacht. Sie erleben Menschen, die ein Rolle spielen, die nicht deren Persönlichkeit entspricht. Ich bin im Lauf meiner Arbeit viel mehr PädagogInnen und Eltern begegnet, auf deren Gesicht sich Züge abbilden, die einer Maske gleichen. Wer dahinter steckt ist nicht zu erahnen, da sich die Maskierung tief in die Seele eingebrannt hat. Diese Masken fallen zu lassen braucht einen gehörigen Leidensdruck, eine Krankheit etwa, einen Zusammenbruch des zusammengezimmerten „Lebenstraumes“ und eine daraus resultierende tiefe Krise der Persönlichkeit, in der endlich die ganze Welt in Frage gestellt wird. Nun „lernen“ junge Menschen ja nicht durch Worte und Weisheiten, seien sie auch noch so plausibel, sondern am Vorbild. Und das Stück, das sie da vorgespielt bekommen, ist lebensfeindlich. „Sei nicht du selbst“ steht da an oberster Stelle. Mache dich um Himmels Willen (womit ich auch ausdrücklich die Ideologie der Religionen einbeziehen möchte) nicht auf die Suche nach dir selbst. Lerne zu funktionieren. Lerne die passende Maske zu tragen, auch wenn sie noch so schmerzt. Das schaffst du schon. Es geht ums Überleben, leben kannst du später. Das und noch viel mehr sind die impliziten Botschaften unserer Lebensideologie. Und sie werden von denen weitergegeben, die vorgeben, das beste für die Heranwachsenden zu wollen. Das ist doppelt traurig – und es erfüllt mich mit heiligem Zorn. Mit dem konfrontiere ich alle, die junge Menschen im Leben begleiten wollen. Wer ins Sein wachsen will und im Sein werden will, muss sich dieser konstruktiven Kritik stellen und sich in die Selbstreflexion begeben. Nur mit deren Kraft können wir uns aus unseren Verwicklungen befreien. Nur aus deren Kraft ist Entwicklung möglich. Und nur auf diese Weise seiende Menschen haben das Potential, den jungen Menschen Lebens-BegleiterInnen zu sein. Wenn du dich auf diesen Weg machen willst, bist du herzlich willkommen im „Club der lebendigen Seienden“. Ich freue mich auf die Auseinandersetzung mit dir. Lass von dir hören: Mit einem E-Mail an [email protected] oder in einem Kommentar zu diesem Beitrag!
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Michael Karjalainen-Dräger
diplomierter Pädagoge und Bachelor of Education war 10 Jahre im öffentlichen Schulwesen in Wien als Lehrer tätig, danach 3 Jahre lang Leiter einer von ihm gegründeten "freien" Schule in Niederösterreich. Seit 2013 trainiert er Menschen, die jungen Menschen freie Bildungs-Räume öffnen wollen. Kategorien
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March 2020
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