Nie mehr Schule

  • Sendungen
  • Bildungs-Blog "Nothing worth knowing can be taught..."
  • Service/Datenschutz
    • Netzwerk
    • Presse
    • Kontakt - Impressum - Datenschutz
  • Sendungen
  • Bildungs-Blog "Nothing worth knowing can be taught..."
  • Service/Datenschutz
    • Netzwerk
    • Presse
    • Kontakt - Impressum - Datenschutz

"Nothing worth knowing can be taught ..." (Oscar Wilde)

7. September '15

7/9/2015

6 Kommentare

 
Die Schule hat uns wieder - also erst einmal den Osten Österreichs, der Süden und Westen folgen in einer Woche. Sie beginnt aber sehr sanft, man startet als SchülerIn für 1-2 Schulstunden, oft erst um 9 Uhr. Als LehrerIn kommt es ein bisschen dicker, wird doch der erste Schultag oft gleich für die Jahres-Anfangs-Konferenz genützt. Und die kann dauern. Das wird auch als Grund angegeben, wenn man fragt, warum der erste Schultag so kurz ist.

Für mich gibt's aber auch noch einen anderen Grund:
Das, was junge Menschen so im Lauf eines Jahres  - und in Summe dann in zumindest 9 Jahren - lernen sollen, kann man bei guter Begleitung innerhalb weniger Wochen "zu sich nehmen". Wenn wir uns ehrlich sind, dann weiß das jeder Beteiligte.

Der Großteil der Zeit geht damit auf, junge Menschen dazu zu bringen, dem, was gerade im Lehrplan und damit am Unterrichtsplan steht, aufmerksam zu folgen. Diese versuchte Motivation von außen (auch extrinsische Motivation genannt) ist nicht nur zeitaufwändig, sie ist im Großen und Ganzen sinnlos. Solange Heranwachsende dazu gezwungen werden, ihre Fragen erst dann zu stellen, wenn es das Curriculum vorsieht und sich mit Fachgebieten und Inhalten zu beschäftigen, die - wenn überhaupt - nur für eine Prüfung gelernt werden, weil sie nichts mit den Interessen des Wissen-Wollenden zu tun haben, ja solange wird eine Schule wie diese nicht funktionieren. Wenn wir aber endlich die wahre Motivation der Neugierigen und Wissbegierigen (also deren intrinsische Motivation) Ernst nehmen würden, dann hätten wir lauter hochgebildete Menschen, die das machen, was sie am besten können, weil es ihren Fähigkeiten, Interessen, ja ihrem Lebens-Sinn entspricht. Wer braucht in dem noch geprüft werden, was seines ist? Und um eine Kritik gleich vorweg zu nehmen: Die sogenannten Kulturtechniken Schreiben, Lesen und Rechnen kann man auf dem gleichen Weg - also auch ohne in ihnen unterrichtet worden zu sein - lernen. Beobachten Sie mal ihre ganz jungen Menschen (auch schon mit 3 und 4 Jahren) wie die sich für die Buchstaben, die Zahlen und die Bücher interessieren, wenn sie Teil ihres Lebensalltags sind.

Franz Josef Neffe, Pädagoge und Gründer der Ich-Kann-Schule, hat meine Blog-Beiträge und die Idee des "Nie-mehr-Schule" kritisch kommentiert, weil er der Ansicht ist, dass nicht die Schule schlecht ist sondern der Unterricht. Er schreibt:
"Die SCHULE ist das Opfer des Unterrichts.
Alle hacken auf der SCHULE herum,
sind gegen sie,
drängen sie an den Rand,
stellen sie in die Ecke,
schlagen sie,
verhöhnen sie,
bekämpfen sie,
wollen sie vertreiben,
ächten sie,
und dergleichen mehr.

SCHULE ist:
+ innehalten,
+ zu Besinnung kommen
+ zu sich selbst kommen
+ mit sich selbst wieder eins werden
SCHULE ist:
+ die Erholung von Unterricht
+ freies, ungehindertes Lernen
+ souveräner Umgang mit den eigenen Kräften & Talenten
und mehr dergleichen.
Die alten Griechen, von denen wir dieses Wort übernommen haben, nahmen A-SCHOLIA in Kauf, um für SCHOLAE zu leben.
Wir haben SCHOLAE bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt.
Wir mobilisieren gegen SCHULE.
Das Misshandlungsprinzip: den UNTERRICHT aber wollen sogar die Homeschooler machen.
Gegen Schule sein und Unterricht immer weiter perfektionieren, das ist der höchste Grad an Perversion.
Bei dem Stress, den man dadurch ständig hat, fällt gar niemand auf, dass man dabei ständig im alten Denkmodell gefangen bleibt - und darüber bestens weiter gesteuert werden kann.
Ein Kern der Ich-kann-Schule-Idee war von Anfang an, zu zeigen, dass "Schulen mit Mehraufwand" keine wirklichen Schulen sind.
Eine richtige Schule muss mit erheblich weniger Aufwand viel mehr und viel besser erreichen als das in unseren Unterrichtsvollzugsanstalten der Fall ist."
(Beitrag in der FB-Gruppe Schule-gründen vom 5.9.15)

Ich glaube, dass Franz Josef und ich dennoch in die gleiche Richtung gehen - und dass wir es aber auf verschiedenen Straßen tun. Das finde ich gut so, braucht es doch verschiedene Ansätze, verschiedene Wege, die dem gleichen Ziel folgen.

Auch ich bin der Überzeugung, dass "Schule", wenn wir sie von ihrer Wortbedeutung her Ernst nehmen, genau das bieten müsste, was Bildungshungrige und Wissbegierige brauchen. Dennoch ist der institutionelle Unterricht in einer "Schule" deswegen ein Problem, weil er keine Rücksicht auf die Einzelnen nimmt. Hier kommen nicht Menschen an einem Ort zusammen, die sich frei dazu entschieden haben dort gemeinsam genau das zu erfahren, was sie aufgrund ihres Interesses gerade erfahren wollen. Hier müssen Wissende und viel öfter auch Unwissende einem lebesnfernem Curriculum folgen Leistungsnachweise erbringen und Prüfungen absolvieren, um sich für den Arbeitsmarkt zu qualifizieren.

Ein "Frei-sich-Bilden" hat eine andere Dynamik. Diese geht vom freien Subjekt aus, das sich nicht zum Objekt machen lässt. Diese braucht die "Schule" nicht als Institution, diese braucht viele Menschen, die wissen wollen, solche, die ihr Wissen an jene weitergeben wollen und Bildungs-Räume, in denen das stattfinden kann. Daran arbeite ich.

Wichtig aber ist im Kampf für eine andere Form von "Schule", sich nicht auseinander dividieren zu lassen. Denn das Unterrichts-"Imperium" lebt davon, dass es die zersplittert und vereinzelt, die für Alternativen kämpfen.
6 Kommentare
Eckhard Fuhrmann
7/9/2015 18:55:24

"Sie beginnt aber sehr sanft, man startet als SchülerIn für 1-2 Schulstunden, oft erst um 9 Uhr."
Wenn's nur so wär!
Heute, 1. Klasse Gymnasium: 4 Stunden Unterricht, davon 2 schon Fachunterricht, dann Nachmittagsbetreuung bis 17:00. (Gleichzeitig Nachprüfungen ab 7:50, die letzten um 16:00.)
Begründung: "Die Betreuung an der Schule muss ab Schulbeginn täglich von 8:00 bis 17:00 gewährleistet sein" -- damit die Eltern ungestört ihrer Berufstätigkeit nachgehen können. Beide natürlich, um des BIP willen und weil sich's anders nicht mehr ausgeht.
(Dieses Umdeuten der Schule von einer Bildungsinstitution zu einem hauptamtlichen Betreuungsinstitut trägt natürlich auch dazu bei, dass die in Wirklichkeit viel effizienter lehr- und lernbaren Inhalte künstlich über mehrere Jahre ausgedehnt werden müssen, bis man selbst das Sinnvolle daran nicht mehr sehen kann vor lauter Wiederholung.)

Ansonsten: Volle Zustimmung. Neulich wurde mir eine übrigens eine neue Perspektive auf die "Motivationsversuche" in der Schule nahegelegt: Wenn die Schule (oder eben der "Unterricht") schon von vielen Schüler/innen als eine Art Gefängnis empfunden wird, dann wird sie durch das ständige "Motivieren" nur noch schlimmer, nämlich zu einem Orwellschen Gefängnis. Nicht genug damit, dass man dort seine Zeit absitzen muss -- man hat es gefälligst auch noch zu mögen!

Antwort
Michael Karjalainen-Dräger
8/9/2015 16:42:15

Im sogenannten Pflichtschulbereich (sprich Grundschule, Mittelschule/NMS) gibt's diesen "sanften" Beginn. Danke, für die anderen Erfahrungen eines ersten Schultages!
Und: Gut gebrüllt, Eckhard!
Es gibt diese Diskrepanz der "Schule" zwischen Bildungs- und Betreuungseinrichtung; aus meiner Sicht ein weiterer Puzzlestein, der "Schule" kaputt gemacht hat.
Ja, die Motivation is a Hund! Weil sie falsch verstanden wird. Und weil gut gemeint einfach nicht gut gemacht ist.

Antwort
Edmund Huditz
7/9/2015 21:14:20

Bei "freien Bildungswegen" werden bildungsaffine Schichten noch mehr bevorzugt als sie es ohnehin schon sind. Die Lösung liegt meiner Meinung nach darin, die LehrerInnenrolle ganz neu in Richtung "Begleitperson zum autonomen Lernen" zu definieren und dabei die digitalen Medien als Unterstützung zu verwenden. Einzelne "Fächer" sollten endlich ein echter Fächer werden, zusammenhängend, nicht ein Gerippe!

Antwort
Michael Karjalainen-Dräger
8/9/2015 16:50:26

"Freie Bildungswege" haben nur dann einen Sinn, wenn es erstens die Finanzierung durch die öffentliche Hand gibt und wenn es zweitens für jeden jungen Menschen eineN BegleiterIN gibt, die mit ihm/ihr diese, seine Bildungswege findet.Dadurch ließe sich die Geschichte mit der Bildungsaffinität einigermaßen ausgleichen. Jeder Heranwachsende ist neugierig und wissbegierig, denn sonst hätte er/sie nicht sprechen, nicht gehen, nicht ... gelernt.
Es braucht auch Übergänge zu diesem neuen "Frei-sich-Bilden". Einer wird tatsächlich darin liegen, dass sich LehreInnen neu definieren (leider ist auch die LehrerInnen-Bildung neu nicht vom mechanistischen LehrerInnen-Bild abgewichen; aber man kann als LehrendeR ja etwas anderes daraus machen und sich und die Rolle neu definieren.) und von der Alleswisserei zur Begleitung des Lern- und Erfahrungsprozesses übergehen. Bezüglich Fächer gibt es ja im erwachsenengerechten Pflichtschulabschluss schon sogenannte Fächerbündel(siehe https://www.bmbf.gv.at/ministerium/rs/basisbildung_curriculum.pdf?4o9yu1).
Bleibt nur noch die G'schicht mit dem Curriculum an sich, nämlich dass hier vorgegeben ist, wann du was zu wissen hast - ob du's magst oder nicht.

Antwort
Eckhard Fuhrmann
8/9/2015 17:11:44

Wobei eben -- wie Sie ja weiter oben sagen -- die wesentlichen Kerninhalte des Curriculums im Bedarfsfall auch innerhalb sehr kurzer Zeit gelernt werden können. Wenn man als Alternativschule in Österreich also nicht unbedingt das Öffentlichkeitsrecht anstrebt, ist auch ein völlig anderes (offeneres) Curriculum möglich -- wenn man nämlich die Kinder für "häuslichen Unterricht" anmeldet und an der Schule gegen Jahresende der Prüfungsstoff als unvermeidliche bittere Pille noch schnell durchgebüffelt wird.
Die finanzielle und politische Problematik wird dadurch natürlich nicht gelöst -- aber zumindest wäre auf diesem Weg eine größere Vielfalt an Lehrinhalten möglich (und nicht bloß an Methoden, wie das in der derzeitigen Alternativschullandschaft mehrheitlich der Fall ist).

Michael Karjalainen-Dräger
8/9/2015 17:46:28

Ja, so wie Sie sagen, ist es. Eine Schule ohne Öffentlichkietsrecht zu gründen hat diesen wesentlichen Vorteil.

Antwort

Ihr Kommentar wird eingetragen, sobald er genehmigt wurde.


Hinterlasse eine Antwort.

    RSS-Feed

    Bild

    Michael Karjalainen-Dräger

    diplomierter Pädagoge und Bachelor of Education war 10 Jahre im öffentlichen Schulwesen in Wien als Lehrer tätig, danach 3 Jahre lang Leiter einer von ihm gegründeten "freien" Schule in Niederösterreich. Seit 2013 trainiert er Menschen, die jungen Menschen freie Bildungs-Räume öffnen wollen.
    Im Jahr 2015 hat er sich auf den Weg zu den "Landschaften der freien Bildung" (Bertrand Stern) gemacht und im September 2016 den bildungsRaum für junge Menschen ab 5 gegründet.

    Kategorien

    Alle
    Albert Einstein
    An-Archia
    Arbeitsmarkt
    Ausbildung
    Ausbildungspflicht
    Benotung
    Bertrand Stern
    Beschulungsideologie
    Bewusstseinswandel
    Bildung
    Bildungsministerium
    Bildungs Räume
    Bildungsreform
    Bildungs-(R)Evolution
    Bildungswandel
    Bologna
    Curriculum
    Digitalisierung
    Elementarpädagogik
    Entwicklung
    Erfahrung
    Erstsprache
    Erwerbsarbeit
    Erwin Wagenhofer
    Exklusion
    Externistenprüfung
    Externistenprüfung
    Flüchtlingskrise
    Freies Subjekt
    Frei Sich Bilden
    Gamifizierung
    Geldsystem
    Gesundheitssystem
    Gewalt
    Gewaltprävention
    Häuslicher Unterricht
    Häuslicher-Unterricht
    Hausübungen
    Homeschooling
    Ich-bin-Ich
    Initiative Freilernen
    Inklusion
    Integration
    Ismen
    Kapitalismustribunal
    Kind
    Kindergarten
    Kinderrechte
    Kindeswohl
    Kompetenzraster
    Landschaften Der Freien Bildung
    LehrerInnen
    Leistungsbeurteilung
    Lernen
    Martin Luther King
    Menschenrechte
    Nachhilfe
    Persönlichkeit
    Persönlichkeit
    PISA
    Recht Auf Bildung
    Recht-auf-Bildung
    Scholae
    Schule
    Schulreform
    Schulsystem
    Schulzwang
    Segregation
    Sein
    Selbstreflexion
    Selbst Sich Bilden
    Selbst-sich-Bilden
    Sklaverei
    Sorgerecht
    Unterricht
    Unterrichts-Imperium
    Vertreibung
    Virtuell
    Vorurteile
    Wandel
    Wirtschaftssystem
    Wissbegierige
    Wissen
    Wissende
    Zwangsbeschulung
    Zweitsprache

    Archiv

    November 2019
    Oktober 2019
    Mai 2019
    April 2019
    März 2019
    Januar 2019
    Juni 2018
    Mai 2018
    April 2018
    März 2018
    Februar 2018
    September 2017
    August 2017
    März 2017
    Oktober 2016
    September 2016
    August 2016
    Juli 2016
    Juni 2016
    Mai 2016
    April 2016
    März 2016
    Januar 2016
    Dezember 2015
    November 2015
    Oktober 2015
    September 2015

Powered by Create your own unique website with customizable templates.