Das, was sich da am vergangenen Donnerstag im guten, alten Oberösterreich bei der Vorstellung des Arbeitsübereinkommens zwischen ÖVP und FPÖ zugetragen hat, war wieder einmal schlechte, uralte deutsche Schule.
Die Idee einer Übereinkunft mit der FPÖ, weil "sie als zweitgrößte poltische Kraft demokratisch legitimiert ist" (Landeshauptmann Pühringer, ÖVP) und "in der Regierung entzaubert werden soll" (ÖVP-Obmann Mitterlehner), hat aber jene Auswirkungen, die gleich bei der Präsentation dieser Zusammenarbeit deutlich wurden. LH-Stellvertreter Haimbuchner, FPÖ, dessen Partei in den nächsten 5 Jahren auch die Integrationsagenden überhat, kam mit diesbezüglichen Vorschlägen von vorgestern. Einen davon möchte ich aufgreifen, weil er mit einer Sicht auf Bildung zu tun, die höchst gefährlich ist - obwohl er auch eine Mehrheit in der Bevölkerung finden könnte: Deutsch nicht nur als Unterrichtssprache einzufordern, sondern gleich als Schulsprache. Ersteres ist gesetzlich geregelt, letzteres illegal wie das Unterrichtsministerium stante pede klarstellte. Dass das ein Landeshauptmann, der ja auch Präsident des Landesschulrates und Mitglied der Bildungsreformkommission ist, erst aus dem fernen Wien erfahren musste, ist höchst bedenklich. Für mich ist es mindestens ebenso problematisch, dass wir in Österreichs Schulen nur eine Unterrichtssprache akzeptieren, nämlich Deutsch. Damit verschärfen wir jene Probleme, die wir so gerne nicht hätten: (Junge) Menschen mit einer anderen Erstsprache beginnen ihre Schulkarriere mit einem großem Rückstand an Fachwissen, weil sie ja zuerst Deutsch lernen und erst dann in den Fachunterricht, der ja auch eine eigene Fachsprache hat, einsteigen können. Das ist, pointiert gesagt, Sprachimperialismus der reinsten Sorte. An der Uni Wien, die im Institut für Germanistik einen eigenen Fachbereich für Deutsch als Zweitsprache eingerichtet hat, vertritt man die Auffassung, dass es erfolgreicher wäre, würde man die Erst- und Zweitsprache parallel unterrichten und die Fachthemen zuerst in der "Muttersprache" nahebringen. Außerdem spräche nichts dagegen, wenn auch in der weiteren Schullaufbahn die Erstsprache als Unterrichtssprache gälte. Dem kann ich einiges abgewinnen, ist Sprache doch ein wesentlicher Faktor menschlicher Identität. Und wer seine Identität kennt, kann leichter und erfolgreicher auf das Fremde zu- und mit dem Fremden umgehen. Aus meiner Sicht wäre also der bilinguale Weg, die eigene Erstsprache zu perfektionieren und Deutsch als Zweitsprache zumindest auf einem B2-(Matura)Niveau zu erlernen sowie als ursprünglich Deutsch-Sprechender auch eine oder mehere der Sprachen als Fremdsprachen zu lernen, die im Klassenverband gesprochen werden, ein wesentlich zielführender als der von Deutsch als Schulsprache, den die neue oberösterreichischen Landesregierung als beispielgebend für Österreichs Schulen einführen möchte. Dieser Nationmalismus führt meiner Meinung nach ja (für die Proponenten des Vorschlages paradoxerweise) zum genauen Gegenteil dessen, was sie bewirken wollen: der Nationalismus der auf diese Weise einer Integration Unterworfenen steigert sich bis ins Extreme, ja Extremistische. Für gelungene Integration braucht es auf dieser Basis dann - das möchte ich nicht bestreiten - noch andere, weitere Schritte eines respektvollen Umgangs miteinander. Sprache aber und Sprachen spielen eine grundlegende Rolle, damit dies gelingen kann. Im übrigen bin ich der Meinung, dass ein Recht auf Bildung statt der derzeit geltenden Zwangsbeschulung, auch in diesem Bereich schneller zum Erfolg führen würde. Lasst uns also Räume des Frei-sich-Bildens schaffen, um allen (jungen) Menschen eine gute Zukunft in einer menschenwürdigen Gesellschaft zu ermöglichen.
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Michael Karjalainen-Dräger
diplomierter Pädagoge und Bachelor of Education war 10 Jahre im öffentlichen Schulwesen in Wien als Lehrer tätig, danach 3 Jahre lang Leiter einer von ihm gegründeten "freien" Schule in Niederösterreich. Seit 2013 trainiert er Menschen, die jungen Menschen freie Bildungs-Räume öffnen wollen. Kategorien
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March 2020
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