Nun haben wir den Salat!
Der österreichische Nationalrat hat in der Vorwoche die sogenannte Ausbildungspflicht beschlossen. Da es sich um eine Verfassungsbestimmung handelt, musste diese Entscheidung mit Zwei-Drittel-Mehrheit gefällt werden. Die Regierungsparteien holten dafür die Grünen mit einem fragwürdigen Deal ins Boot, das kennen wir ja schon aus anderen Bereichen. In der Sache allerdings waren sich die drei Fraktionen grundsätzlich einig: die Verlängerung der "Verschulung" um zumindest 3 Jahre bis zum 18. Lebensjahr eines jungen Menschen. Was in der Diskussion davor so bedenklich war, ist die unhaltbare Verwechslung von Recht und Pflicht. Da jubelten sogar die Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreichs über diese Maßnahme, die sicherstelle, dass kein Jugendlicher verloren ginge und ausbildungslos von Anfang an arbeitslos wäre. Sie forderten mit den Worten, dass es ein (Kinder- bzw. Menschen-)Recht auf diese Pflicht gäbe, sogar die Einbeziehung von AsylwerberInnen. Und hier befinden wir uns im gefährlichen Sumpf des bewussten oder unbewussten, gewollten oder ungewollten, jedenfalls wirksamen Austausches zweier zwar zusammengehöriger aber nicht gegeneinander zu wechselnden und damit nicht zu verwechselnden Begriffe. Das Recht auf Bildung kann und darf niemals durch eine Bildungs- und schon gar nicht durch eine Ausbildungspflicht ersetzt (oder wie es im Schönsprech heißt: garantiert) werden. Das wäre so als ob ich ein Recht auf Frieden durch die Pflicht zum Krieg erreichen wollte oder ein Recht auf Freiheit durch die Pflicht zur Sicherheit. In diesen extremen Beispielen (die leider durchaus alltäglich sind) wird der Wahnsinn einer solchen Verwechslung deutlich. Daher gilt es weiterhin - und noch viel mehr als vorher - für ein lebenslanges, von der öffentlichen Hand finanziertes Recht auf Bildung einzustehen, um jungen Menschen eine tragfähige Lebensgrundlage zu sichern und durch gelebte Besipiele jene zu überzeugen, die meinen, mit einer Pflicht zur Ausbildung wäre dem schon Genüge getan. Auf geht's!
0 Comments
Seit vergangenem Freitag sollten alle Schülerinnen und Schüler Österreichs, die eine Schule besucht haben, ihr Zeugnis in Händen halten. In diesem wird ihnen zumeist mit Ziffernnoten der Nachweis ihrer Leistungen im abgelaufenen Schuljahr präsentiert. Nicht alle werden mit der Berwertung durch ihre LehrerInnen zufrieden sein, eine nicht geringe Anzahl muss sich entweder einer Wiederholungsprüfung in den ersten Septembertagen oder gar der Wiederholung des gesamten Schuljahres stellen.
Mumpitz wie ich meine! Sowohl das eine wie auch das andere! Und nun arbeiten laut orf.at Georg Hans Neuweg, Leiter der Abteilung für Wirtschafts- und Berufspädagogik der Uni Linz, die Pädagogische Hochschule Oberösterreich und LehrerInnen im Auftrag des Bildungsministeriums an Kompetenzrastern für jedes Fach und jede Schulstufe der Sekundarstufe. Diese sollen auf einem A4-Blatt pro SchülerIn und Semester darstellen, welche Teile des Lehrplans schon beherrscht werden und wo noch Verbesserungsbedarf besteht. Solche Raster kenne ich aus meiner Tätigkeit im erwachsenengerechten Pflichtschulabschluss. Dort wird die Abschlussprüfung mittels eines solchen bewertet, ein sehr komplexes Geschehen, das Transparenz suggeriert, aber meines Erachtens keinesfalls ausgereift ist. Auf Details dieser Beurteilungsart möchte ich hier auch gar nicht eingehen. Es geht mir um die Leistungsbeurteilung an sich, die schon kritisiert wird, seit es sie gibt. Für den Forscher Neuweg ist das Problem, dass sich Lehrkräfte immer am Durchschnitt der jeweiligen Klasse orientieren und nicht an allgemeinen Durchschnitten, womit die Vergleichbarkeit von Noten nicht einmal innerhalb einer Schule gegeben scheint. Eigentlich müsste man aus meiner Sicht aber eine Bewertung am Indviduum durchführen, ob es denn etwa sein volles Potential ausgeschöpft hat oder nicht ... Absurd? Ja, wenn man es so betrachtet zeigt sich die Absurdität eines Beurteilungswesens, das niemals auch nur annährend fair und objektiv sein kann. In der Uni hat man mit den nun schon zum Prüfungsalltag gehörenden Multiple-Choice-Tests, die nach einem bestimmten Raster vom Computer ausgewertet werden, jegliche Individualität gekillt. Und nun soll es auf (Pflicht-)Schulebene auf diese Weise weiter gehen. Für mich ist das ein Anlass diesem Aburteilungswesen eine Abfuhr zu erteilen. Höre ich da schon jemanden aufheulen, ich wäre für die absolute Beliebigkeit und gegen Leistung? Dann möchte ich gleich klarstellen, dass das Erbringen von Leistungen im besten Sinne des Begiffes, den Menschen innewohnt, ihnen aber durch das Pervertieren dieser Fähigkeit durch Leistungsbeurteilung im schulischen Sinn verleidet wird. Leistungsverweigerung ist also im System begründet, das den Menschen krank gemacht hat. Aus meiner Erfahrung mit (jungen) Menschen weiß ich, dass diese in jenen Bereichen zu (auch außerordentlichen) Leistungen fähig sind, wo ihre Fähigkeiten und Talente liegen, wofür sie aus tiefstem Herzen brennen. Die Institution Schule mit ihrem Unterricht aber löscht dieses Feuer bereits in den ersten Wochen. Daher sollten wir und nicht über Noten oder Benotung unterhalten sondern über Möglichkeiten von Bildung, die es den jungen Damen und Herren ermöglicht, die oder der zu sein, die oder der sie sein wollen und daher können. Gestern erhielt ich via OTS eine Presseaussendung aus dem Bildungsministerium mit dem Titel "Hammerschmid: 'Schuljahr 2015/16 ist bald geschafft!'". Darin freut sich Sonja Hammerschmid laut ihrer Pressesprecherin Patrizia Pappacena "für die Schülerinnen und Schüler, die LehrerInnen und Lehrer, die dieses Schuljahr mit Motvation und Engegement beendet haben." Und weiter: "Nun stehen die Sommerferien vor der Tür und es kann wieder Kraft für das nächste Schuljahr getankt werden“
Dazu will ich folgendes sagen: Im ersten Satz ist für mich nicht klar, ob sich die Ministerin nur für jene freut, die motiviert und engagiert waren - und all die anderen, die meiner Wahrnehmung nach in der deutlichen Mehrheit sind, ausspart; oder ob es darum geht, dass alle in den letzten Tagen engagiert und motiviert am Ende des Schuljahres gearbeitet haben, so unter dem Motto: "Hoffentlich ist das Ganze bald vorbei." Die Sprache is a Hund'. Die Eltern, die ja von der Institution Schule kräftig zur Mitwirkung gebracht werden - sei es finanziell oder durch die Erledigung von Hausübungen für ihre Kinder oder zumindest deren Unterstützung bei diesen Aufgaben -, werden hingegen mit keinem Wort erwähnt. Die vielzitierte Schulpartnerschaft sieht anders aus. Im zweiten Satz gibt es einen klaren Arbeitsauftrag an - ja an wen? - wieder Kraft für das nächste Schuljahr zu tanken; wohl mit dem Hintergrund, dass alle wieder funktionieren mögen und auf diese Weise den Unterrichtsvollzugsanstalten noch ein langes Leben beschert ist. Das ist entlarvend. Da ist jemand gerade mal einige Wochen im Amt und bedient sich der alten Rituale und Sager. Eine Tragödie. Tragödien aber haben einen tiefen Sinn, nämlich eine Karthasis einzuleiten, die zum Wandel beitragen will. Möge die Tragödie der Institution Schule, die in den Worten der neuen Bildungsministerin deutlich wird, dazu dienen, den dringend nötigen Bildungswandel zu beschleunigen. Die ProtagonistInnen namens SchülerInnen, Eltern und LehrerInnen spielen dabei tragende Rollen. Und sie alle haben die Macht, den Wandel möglich zu machen, sind sie doch in der Mehrheit. Na dann ... schöne Ferien, also schul-freie Zeit zum Regenerieren, Reflektieren und Planen wie ab Herbst alles anders werden kann. Übrigens: Am 15.9.16 begehen wir den Tag der Bildungsfreiheit mit dem nächsten "Nie-mehr-Schule"-Aktionstag. Detailinfos demnächst an dieser Stelle! JedeR kann AktionärIn werden und damit auf die je eigene Art zum Bildungswandel beitragen. Mir kommt vor, dass die alljährliche SchülerInnen-Wanderung heuer besonders früh eingesetzt hat. War es in meiner Schulzeit vor allem die letzte Woche, die zu Outdoor-Aktivitäten aller sinnvollen und sinnlosen Arten genutzt wurde, so stieg die Anzahl der Tage seither auf bis zu 3 Wochen an. In diesem Jahr scheint mir der Pegel schon bei 4 Wochen zu liegen.
Die Straßen- und U-Bahnen, aber auch die Busse sind von einer Fülle von jungen Menschen zwischen 6 und 18 bevölkert, die die diesbezüglich ohnehin sehr aktiven Kindergartengruppen in diesen Tagen ergänzen. Abgesehen vom Lärmpegel, den verzweifelt um Ruhe bemühten LehrerInnen scheint das Interesse dieser Bevölkerungsgruppe eher bei Smartphone, Computerspielen und neuesten Modetrends zu liegen, denn bei den Zielen, die es auf diesen Fahrten zu erreichen gilt. Die LehrerInnen rechtfertigen diese Jahresendtouren oftmals mit den Worten: "Der Stoff ist durch, die Prüfungen sind vorbei, was soll ma jetzt noch machen? Alle sind schon reif für die Ferien." Wenn ich solches höre, dann wird mir einmal mehr schmerzlich bewusst, dass da etwas grundlegend falsch läuft im (östereichischen) Schulsystem. Aber so sind halt Systeme - und Reformen festigen in der Regel deren Schwachpunkte, denn sie zu beseitigen. Die Schule ist also mehr denn je Labor, das mit dem Leben nichts zu tun hat. Gelernt werden soll in erster Linie Fachliches, das in vielen Stunden reingewürgt wird, um bei der sogenannten Leistungsfeststellung ausgekotzt und gleich darauf vergessen zu werden. Kompetenz sieht anders aus - obwohl das doch neurdings das Schlagwort, vor allem der Neuen Mittelschule ist. Gelernt wird, wie man Ellbogen bemüht, die Konkurrenz der Gleichaltrigen abhängt, sich durchschummelt, nicht aneckt, keine Fragen stellt und auf alles nur dann Antwort gibt, wenn man keinen Fehler befürchten muss. Arm die Gesellschaft, deren Zukunft solche Bildungskrüppel sind. Dennoch unterstützen alle Verantwortlichen (PolitikerInnen und Behörden) und zum Großteil auch noch alle Beteiligten (SchülerInnen, LehrerInnen, Eltern) diese Umtriebe, da sie davon ausgehen, dass die erfolgreiche Absolvierung dieser "Unterrichtsvollzugsanstalten" (Copyright Franz Josef Neffe) das Tor in die Berufswelt und sogar in den Einkommenshimmel weit aufmacht. Wer diesen Mythos mal genauer unter die Lupe nimmt, wird sein blaues Wunder erleben. Ein Schulabschluss und sogar der Abschluss eines Studiums garantieren weder das eine noch das andere. Zudem wird man ja jeweils auf eine Arbeitswelt vorbereitet, die dann, wenn man soweit ist, gar nicht merh existiert. Das Curriculum und seine Umsetzung hinken zumindest einige Jahre nach. Die alljährlichen SchülerInnenwanderungen sind da bloß ein weiteres Symptom der todkranken Institution Schule, die sich von der Grundbedeutung ihres Namens (scholé - griech. Muße) schon galaxienweit entfernt hat. Da lobe ich all jene, die den Ausbruch aus dieser Schule schon gewagt haben und die wissen, dass die Verknüpfung von Bildung und Schule eine unzulässige Kausalität darstellt - wie das der freischaffende Philosoph Bertrand Stern so treffend formuliert. Österreich hat nicht nur einen neuen Bundeskanzler sondern gleichzeitig auch eine neue SPÖ-Bildungsministerin bekommen. Sie wird sich ausschließlich um Schule kümmern, die Frauenagenden, die ihre Vorgängerin innehatte, wird sie an die Gesundheitsministerin abgeben, die Universitäten sind weiterhin im Wissenschaftsministerium angesiedelt, das der Koalitionspartner ÖVP in personam von Vizekanzler Mitterlehner besetzt. Alles wie gehabt also im österreichischen Bildungssystem.
Gemäß der Vorgabe, dass die SPÖ in Schulfragen ideologisch immer die Ganztags- und Gesamtschule vertreten hat - während die ÖVP für die Differenzierung in Haupt- bzw. Mittelschule (ob kooperativ oder neu) und Gymnasium ab dem 10. Lebensjahr einsetzt -, hat die ehemalige Vorsitzende der Österreichischen RektorInnen-Konferenz, die davor selbst Rektorin der Veterinärmedizinischen Universität war, in einer ihrer ersten Stellungnahmen gleich ein Plädoyer für die verschränkte Ganztagsschule gehalten. Diese bietet den ganzen Schultag über einen Wechsel von Phasen von Unterricht und Freizeit. Das ist für die ÖVP ein im wahrsten Sinne des Wortes rotes Tuch, plädiert sie doch für eine dem Vormittagsunterricht folgende Nachmittagsbetreuung, in der Hausübungen gemacht und Freizeitaktivitäten angeboten werden. Dies dürfte aber auch eine Ansage mit Kalkül sein, ist doch der designierte SPÖ-Vorsitzende Bundeskanzler Christian Kern mit dem Ziel angetreten, dass Profil der Sozialdemokraten zu schärfen. In Bildungsfragen aber mag das kontraproduktiv sein, weil hier, wenn Differenzierung ernst genommen werden wird, eine Fülle von individuellen Bildungsangeboten und -wegen möglich sein sollte. Jene, die ihren Weg außerhalb des staatlichen Schulsystems gehen wollen - ob in einer freien Schule ohne konfessionellen Hintergrund, als zum häuslichen Unterricht Abgemeldete oder als FreilernerInnen - werden vom Bildungssystem immer noch extrem benachteiligt. Das reicht von der Finanzierung der Bildung bis zur Bestrafung von Eltern, die das Nein ihrer Söhne und Töchter ernts nehmen und diese nicht zur Schule schicken, wegen Schulpflichtverletzung. Ein öffentlicher Schulplatz kostet laut OECE-Berechnungen in Österreich zwischen acht- und zwölftausend Euro (im Sonderschulbereich sogar bis zu 35.000 Euro) pro SchülerIn und Jahr. Freie Schulen erhalten pro SchülerIn derzeit knapp 750 Euro im Jahr, Menschen, die frei sich bilden, keinen Cent. Die öffentliche Hand erspart sich diesen Betrag einfach und sanktioniert damit hinterrücks jene, die sich um wirklich qualitative und differenzierte Bildung für ihren Nachwuchs bemühen. Dieser Missstand sollte als einer der wichtigsten Punkte auf der Agenda der neuen Bildungsministerin stehen. Sonst verdiente sie ihren Namen nicht und sollte sich schlicht Unterrichts- oder Schulministerin nennen. Mit dem Begriff Bildung haben Schule und Unterricht nämlich in Zeiten wie diesen nämlich - wenn überhaupt - nur marginal zu tun.
Am vergangenen Samstag konnte ich in Begleitung von Sigrid Haubenberger-Lamprecht von der Initiative Freilernen die drei von mir beim Kapitalismustribunal eingebrachten Klagen verlesen.
Ergänzt habe ich den Zusammenhang zwischen dem herrschenden Wirtschaftssystem und der Institution Schule, der dazu führt, dass Bildung durch Ausbildung ersetzt wird – und somit dem Zweck unterworfen wird, funktionstüchtige und funktionierende „Rädchen“ für den Kapitalismus zu schaffen. Dies zeigt auch die in Österreich demnächst auf 14 Jahre verlängerte Schul- bzw. Ausbildungspflicht, die dann mit 4 Jahren bereits im Kindergarten beginnt und erst mit dem Eintritt ins Erwachsenenalter, also mit 18 Jahren, endet. Deutlich macht diese Sichtweise auch ein Video der Arbeitkammer, auf das Sigrid Haubenberger zur Unterfütterung der Anklagen und ihrer Berechtigung, sie beim Kapitalismustribunal einzubringen, verwiesen hat. Im Hintergrund wurden wir auch von Bertrand Stern unterstützt, der sich jederzeit zu einer weiteren Zeugenaussage bereit erklärt hat. Von Seiten des Anklagevertreters, Hendrik Sodenkamp, wurde dann auch der leicht ersichtliche Zusammenhang von Industrialisierung und Schulpflicht deutlich gemacht. Die Pflichtverteidigung der von uns angeklagten Bundesregierung der Republik Österreich, der Bundesministerin für Bildung und Frauen, der Abgeordneten zum Nationalrat, die diese Gesetze beschlossen haben und der zuständigen Schulbehörden, würdigte die Anklagen ausdrücklich, da sie jedenfalls Ausdruck einer Ungleichstellung seien. Der Zusammenhang mit dem kapitalistischen Wirtschaftssystem solle jedoch noch deutlicher herausgearbeitet und bezeugt werden. Somit wurden alle drei Klagen zur weiteren Verfolgung zugelassen, was bedeutet, dass im November-Tribunal in Wien der Prozess fortgesetzt wird, um ein Urteil in dieser Angelegenheit zu fällen. Daher lade ich alle ein, sich für die diesbezügliche Beweisaufnahme als ZeugInnen zur Verfügung zu stellen. Das Thema bzw. die von uns eingebrachten Themen haben jedenfalls dadurch jetzt schon eine noch breitere Öffentlichkeit erreicht. Das im Mai in Wien tagende Kapitalismustribunal ermöglicht jedem Menschen auf der ganzen Welt Anklage gegen die von unserem herrschenden Wirtschafts- und Gesellschaftssystem verursachten Missstände zu erheben. Diese Chance habe ich genutzt, um den Bildungsbereich in Österreich betreffend drei Anklagen einzubringen. Beschuldigt von mir werden in allen drei Fällen jene Abgeordneten zum Nationalrat, die die geltenden Gesetze beschlossen haben, die
Bundesregierung der Republik Österreich, im speziellen die Bundesministerin für Bildung und Frauen, die die aktuelle Gesetzeslage nicht ändert, die Schulbehörden in Österreich, die die geltende Rechtslage ohne Augenmaß vollziehen. Die erste Anklage befasst sich mit der dringend notwendigen Gleichstellung aller Schulen, egal ob öffentlich, privat mit konfessionellem Schulerhalter oder frei: "Die österreichischen Schulgesetze sehen zwar für jede natürliche und juristische Person die Möglichkeit zur Gründung einer Privatschule vor, es gibt jedoch mehrere Kategorien innerhalb dieser Schulart: A) Die Privatschulen, die von einer vom österreichischen Gesetzgeber anerkannten Religionsgemeinschaft erhalten werden; diese erhalten die Lehrergehälter von der öffentlichen Hand ersetzt, was bis zu 80 % des Schulbudgets ausmacht. B) Die Privatschulen mit und ohne Öffentlichkeitsrecht, die von anderen TrägerInnen erhalten werden; diese erhalten, wenn sie einem Dachverband von freien Schulen beigetreten sind, derzeit in etwa € 750,- pro SchülerIn und Schuljahr. C) Die Privatschulen mit und ohne Öffentlichkeitsrecht, die von anderen TrägerInnen erhalten werden und nicht einem der oa. Dachverbände beigetreten sind; diese müssen für die Schulerhaltung zur Gänze aufkommen. Bei derzeit von der OECD berechneten Ausgaben von € 8.000,- (Grundschule) bis € 12.000,- (Neue Mittelschule) pro SchülerIn und Schuljahre erspart sich die öffentliche Hand je nach oa. Schulart im Extremfall den Gesamtbetrag. Diesen müssen dann Eltern und SchulerhalterInnen aus eigener Tasche bezahlen. Diese Gesetzeslage stellt einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz und die Österreichische Verfassung dar. Daher fordere ich eine Gleichstellung aller oa. Schularten mit den von Bund und Gemeinden erhaltenen öffentlichen Schulen und deren 100%ige Finanzierung ohne Elternbeitrag." Die zweite Anklage fordert die Gleichstellung aller außerschulischen Modelle der Bildung mit der instutution Schule: "Die österreichischen Schulgesetze fordern zwar keine Schulpflicht, aber eine Unterrichtspflicht. Junge Menschen im “schulpflichtigen Alter” können dieser Unterrichtspflicht auch im häuslichen Unterricht oder im Unterricht einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht nachgehen, müssen jedoch vor Schuljahresende in Externistenprüfungen nachweisen, dass sie den Unterrichtsstoff der entsprechenden Schulstufe erfolgreich beherrschen. Diese Gesetzeslage ignoriert das Menschenrecht, damit auch das Kinderrecht auf ein NEIN zur Zwangsbeschulung und auferlegt den (jungen) Menschen eine Bildungspflicht nach curriculären Maßstäben statt eines Rechtes auf Bildung. Somit verstößt sie gegen die von Österreich unterzeichnete Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die UN-Kinderrechtskonvention, die Europäische Menschenrechtskonvention und die österreichische Verfassung. Daher fordere ich die volle auch finanzielle Gleichstellung von Modellen außerhalb dieses Unterrichts- und Externistenprüfungszwanges mit der institutionellen Schule, wie Freilernen oder organisierten häuslichen Unterricht. Diese ermöglichen es (jungen) Menschen frei sich zu bilden. In nachfrageorientierten und von der öffentlichen Hand finanzierten Landschaften einer solchen freien Bildung - wie von den Philosophen Bertrand Stern und Ivan Illich vorgeschlagen - sollen junge Menschen sich ihren Potentialen entsprechend bilden. Rahmenbedingungen, wie wie virtuelle und reale BildungsRäume, BildungswegbegleiterInnen und MentorInnen werden von der öffentlichen Hand gratis zur Verfügung gestellt." Und die dritte will mit der Unsitte aufräumen, dass ein unterjähriges Abmelden zum häuslichen Unterricht unmöglich ist: "Die österreichische Gesetzeslage sieht die Möglichkeit einer Abmeldung zum häuslichen Unterricht vor. Diese muss in der Regel bis zum Tag vor dem Beginn des neuen Schuljahres erfolgen. Andererseits gibt es für SchülerInnen die Möglichkeit im Laufe eines Schuljahres die Schule und die Schulart zu wechseln. Dieses Recht wird aber jenen verweigert, die unterjährig von einer institutionellen Schule in den häuslichen Unterricht wechseln wollen, womit eine selbst vom österreichischen Gesetzgeber grundsätzlich nicht gewünschte Schulpflicht eintritt. Das stellt einen Verstoß gegen den Gleichheitgrundsatz der österreichischen Verfassung dar, ebenso aber auch einen Verstoß gegen die von Österreich unterzeichnete Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die UN-Kinderrechtskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention Daher fordere ich die Ermöglichung der unterjährigen Abmeldung zum häuslichen Unterricht, um den Bildungsbedürfnissen von jungen Menschen entsprechen zu können und den in diesem Fall geltenden Schulzwang aufzuheben." Diese Anklagen können gerne unterstützt werden bzw. können noch bis heute, 17.4.16, 24 Uhr eigene Anklagen eingebracht werden. Vor wenigen Tagen hat eine Facebook-Freundin einen Ausschnitt aus einer Sendung auf ZDF-Kultur (https://m.youtube.com/watch?v=QBXaEyAWHl4) gepostet, in dem der kürzlich verstorbene Roger Willemsen zu den Ergebnissen des Demokratie!-Kongresses im Berliner Haus der Kulturen im Jahr 2011 Stellung nimmt. Darin fordert er die verstärkte öffentliche Etablierung einer Gegenöffentlichkeit abseits der institutionalisierten Politik und die Zuerkennung von Kompetenz an jedes Individuum, wenn es um dessen eigene Anliegen geht.
Seine Gedanken möchte ich an dieser Stelle zum Thema Bildung ohne Schule weiterführen. Da nimmt also ein Mensch wahr, dass er nicht mehr zur Schule gehen will, er sagt "Nein" zur Institution und ihren "Segnungen" und verweigert damit die ihm auferlegte Schul- bzw. Unterrichtspflicht. Die Gesellschaft und im schlimmsten Fall auch seine Eltern, die laut Gesetz für ihn bis zur Volljährigkeit entscheidungsberechtigt sind, halten ihn bezüglich solch eines weitläufigen Entschlusses für inkompetent. Und schon nimmt das Leben einen Lauf, der gegen die Intentionen dieses jungen Menschen gerichtet ist und ihn mit aller Konsequenz der Zwangsbeschulung unterwirft. Wären wir aber in der Lage jedem Menschen die Kompetenz für sein eigenes Leben zuzubilligen, dann wäre eine solche Vorgangsweise ein Fauxpas sondergleichen, der die gesellschaftliche Ächtung zur Folge hätte. Soweit aber sind wir noch lange nicht. Die von uns allseits hochgeschätzte Demokratie hat dort einen ihrer wesentlichen Haken. Das führt dazu, dass sie als die beste aller Regierungsformen zunehmend ausgedient hat. Wenn Menschen eines ihrer Grundrechte beraubt werden, dann ist das ja auch wirklich alles andere als demokratisch. Ich möchte hier nicht über Alternativen wie etwa konsensuale bzw. direktere Weiterentwicklungen reden, was sich an anderer Stelle durchaus lohnen würde. Ich möchte diesen Schwachpunkt in unserem Demokratieverständnis mit aller Klarheit aufzeigen und fordern, dass wir alle Menschen, auch die jungen als für ihr Leben und ihre Bedürfnisse kompetent erklären. Daher hat auch jeder Mensch das Recht, sich für dieses, sein Verlangen einzusetzen und es auch im Rahmen eines demokratischen Prozessen einzubringen und durchzusetzen. Und hier kommt die zweite von Willemsen angesprochene Komponente der außerparlamentarischen Gegenöffentlichkeit ins Spiel. Im Bildungsbereich gibt es eine wachsende Gruppe von Menschen, die für sich und/oder die jungen Menschen, die sie im Leben begleiten, alternative und individuelle Bildungswege außerhalb von Schule als richtig erachten. Sie gelten trotz ihrer steigenden Zahl als Einzelfälle - und da wie zuvor ausgeführt zumindest solchen Einzelfällen die Kompetenz für ihre Anliegen abgesprochen wird, bleibt ihr unerhörtes Anliegen unerhört. Wenn sie nun in der Lage wären sich zivilgesellschaftlich zu organisieren, wie es ja andere für ihre Anliegen auch tun (ich nenne besipielsweise Occupy, Stuttgart 21 oder die Grundeinkommens-Bewegung), dann bildeten sie eine solche Gegenöffentlichkeit. Nun müsste dieser Gegenöffentlichkeit auch Raum in der öffentlichen Wahrnehmung gegeben werden. Mit der auf dieser Webpage begründeten Vernetzungsplattform "Nie-mehr-Schule", der gleichnamigen monatlichen Radiosendung und dem im Vorjahr ins Leben gerufenen jährlichen Aktionstag ist zumindest eine Basis geschaffen. Aus eigener Erfahrung aber weiß ich, dass dies noch lange nicht genügt, um die breite Öffentlichkeit zu erreichen. Zu sehr sind die gewichtigen Medien dieser Gesellschaft dem Mainstream verpflichtet und berichten im Gleichklang lieber aus kaum unterscheidbaren Perspektiven über ein und dasselbe Ereignis, das meist weniger mit unserer Lebenswirklichkeit zu tun hat, als man uns weis machen will. Aus diesem Grund verzetteln wir uns im Großen ohne im Kleinen etwas bewirken zu können. Daher plädiere ich an dieser Stelle für die gesellschaftlich zu schaffende Möglichkeit, dieser Gegenöffentlichkeit in allen Medien den ihr zustehenden Raum zu geben, so dass deren Anliegen der gesamten Öffentlichkeit bekannt werden. Wenn wirklich allen auf diese Weise die ihnen zustehenden Rechte ermöglicht werden, nicht auf Kosten anderer sondern zum gemeinschaftlichen Nutzen aller, dann wäre das eine zukunftsweisende Weiterentwicklung unseres demokratischen Systems, in dem auch sogenannte Minderheiten die Chance auf ihre Lebensart haben. Das neue Jahr beginnt bildungsmäßig genauso wie das alte aufgehört hat - mit einem unsäglichen Aus-Bildungs-Blödsinn, der meiner Empfindung nach nicht einmal gut gemeint, jedenfalls aber gar nicht gut gemacht ist.
Die derzeit in Begutachtung befindliche Gesetzesvorlage zur sogenannten "Ausbildungspflicht" beinhaltet - wie der Name schon verheißt - eine Verpflichtung zur Ausbildung. Betroffen von diesen Forderungen der Österreichischen Bundesregierung sind alle jungen Menschen bis 18 Jahre. Damit wurde innerhalb weniger Monate die Zwangs-Aus-Bildung um 4 Jahre ausgeweitet, die nun alle Menschen vom 4. Lebensjahr an bis zur Volljährigkeit berührt. Ziel dieser Maßnahmen ist es, wenn man den Aussagen von Sozialminister Rudolf Hundstorfer folgt, dass "die frühzeitigen Bildungsabbrecher eine Chance bekommen, ein selbstbestimmtes Leben und eine kontinuierliche Erwerbslaufbahn zu erlangen," es sei dafür "unbedingt erforderlich, eine über die Pflichtschule hinausgehende Ausbildung zu absolvieren." In dieser Schlussfolgerung liegen einige Fehler, außerdem geht sie von falschen Voraussetzungen aus. Nur weil sie auf den ersten Blick logisch klingt, womit man leicht in die dadurch gestellte Falle tappt, ist sie nicht auch wirklich erfolgversprechend. Was jedenfalls erfolgen wird, ist eine Verschiebung der Problematik von der Jugend ins Erwachsenenleben. Denn die Orte, an denen die Ausbildung nach der Pflichtschule erfolgen soll, gibt es ja jetzt auch schon. Ob Lehre oder Produktionsschule oder AMS-Betreuung - mit altbekannten Mitteln wird unter einem neuen Namen eine Lösung des Problems gesucht, wo sie schon in der Vergangenheit nie gefunden wurde. Das einzige, was neu ist, ist die verstärkte "Einbindung" der Eltern in Form von Strafandrohungen wie bei einer Schulpflichtverletzung. Aber bitte wann hat eine Strafandrohung schon mal das Grundproblem gelöst? Nicht einmal die Todesstrafe hat jene Wirkung erzielt, die ihr ihre Erfinder gerne zudenken, sie ist ein völlig untaugliches Mittel zur Verbrechensbekämpfung. Ein wesentlich mutigerer und sinnvollerer Schritt wäre die Einführung eines Rechts auf lebenslange Bildung gewesen - von mir aus auch in einem ersten Schritt für jene jungen Menschen bis 18 Jahre gewesen. Es wäre ebenso mutig und sinnvoll gewesen, Orte zu schaffen, an denen selbstbestimmtes, nachfrageorientiertes Frei-sich-Bilden möglich ist und Menschen zu bezahlen, die als BildungswegberaterInnen und MentorInnen ganz nah an den Individuellen Bedürfnissen der Bildungshungrigen dran sind. Diese wären auch Garanten dafür, dass (junge) Menschen, die der Bildung aus ihrer Lebensgeschichte heraus eher fern stehen, einen Zugang zu sich selbst und ihren Bildungswünschen bekommen. Zudem wäre die Chance, dass da jemand seinen Beruf findet, mit dem er auch sein Leben erhalten kann wesentlich größer als bei der "Produktion" von Arbeitskräften, die nach dem Ende ihrer Ausbildung keiner mehr braucht. Der Arbeitsmarkt wird im nächsten Jahrzehnt einen großen Umbruch erleben, der den Schock der Industrialiserung weit in den Schatten stellen wird. Damit werden mehr Menschen denn je ohne Erwerbsarbeit und daraus abgeleitetes Einkommen sein und hilf- und sinnlos durch das Leben torkeln. Die Folgen dieser Entwicklung sind absehbar, dennoch werden sie weiterhin ignoriert. Die Regierung hat sich also mit dieser Maßnahme neuerlich in eine Bildungs-Sackgasse begeben, die Opposition hat dem leider keine brauchbare Alternative entgegenzusetzen. So ist auch im Bildungsbereich die Zivilgesellschaft gefordert, nachhaltige Varianten in die Welt zu setzen und sich für eine Finanzierung derselben durch die öffentliche Hand einzusetzen. Es braucht mittelfristig aber auch Verbündete unter den Abgeordneten zum Nationalrat, so dass diese bei entsprechenden Gesetzesvorlagen nicht mitstimmen oder noch besser andere Gesetzesvorlagen im oben besprochenen Sinn erstellen. Und es braucht eine Portion von zivilem Ungehorsam, sich dem Diktat der Aus-Bildungs-Verpflichtungen seitens der Gesetzgeber zu widersetzen und diese Alternativen nicht nur zu entwickeln sondern auch zu leben. Eine wachsende Gemeinschaft von "Frei-sich-Bildenden" zeigt wie das geht. Denn - wie schon früher ausgeführt - ein "Nein" des Betroffenen zu einer Ausbildungsverpflichtung im Kindergarten, in der Schule oder eben jetzt auch danach ist ein Menschenrecht. Dieses steht auch jungen, per lege minderjährigen Menschen zu. Darauf wird man sich besinnen müssen, wenn die Leidtragenden sich nicht mehr zwingen lassen und sich auf die Kinder- bzw. Menschenrechte berufen und diese auch - wenn nicht anders möglich - auf dem Rechtsweg geltend machen. |
Michael Karjalainen-Dräger
diplomierter Pädagoge und Bachelor of Education war 10 Jahre im öffentlichen Schulwesen in Wien als Lehrer tätig, danach 3 Jahre lang Leiter einer von ihm gegründeten "freien" Schule in Niederösterreich. Seit 2013 trainiert er Menschen, die jungen Menschen freie Bildungs-Räume öffnen wollen. Kategorien
All
Archiv
March 2020
|